Page 3 - Adlershof Journal Juli/August 2015
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Adlershof ESSAY

Journal
Juli | August 2015
Leidenschaften aus dem


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Vorratsschrank








6 12 18 I n unserer Straße ist eine Kita. Jeden Vormittag, wenn ich die selbstverständlich nicht das Schlaflied, sondern das „Wir warten

Stimmen der Kinder unter meinem Fenster höre, stehe ich vom auf das Essen“-Lied. Wenn es die Flasche alle vier Stunden gibt,
Schreibtisch auf und sehe ihnen zu, wie sie mit ihren Erzieherin- gibt es die Flasche eben alle vier Stunden. Basta.
INHALT AUS DER REDAKTION nen Hand in Hand erst über die eine, dann über die nächste Stra- Später, keinesfalls aber zu spät, müssen die Kinder zum Singen,
ße gehen. Dort ist ein kleiner Park, dahinter ein Spielplatz. Die
Kinder rennen den winzigen Hügel hinauf und hinunter, sie hüp- zum Musizieren, zum Englischunterricht, zum Schwimmen, zum
3 ESSAY Lehren & Lernen fen, manche bleiben einfach stehen und gucken. Heute regnet Tanzen, zum Turnen. Sie müssen gefördert werden und ange-
regt, ob sie wollen oder nicht. Nie wieder lernt man so schnell
es, alle tragen Gummistiefel, Regenhosen und Regenjacken. Die
Leidenschaften aus dem Vorratsschrank: Wir treiben unsere Armen, denke ich. Es wird ihnen trotz Kapuze ins Gesicht regnen. und mühelos wie als Kind. Was wäre es für eine Verschwendung,
Kinder an anstatt uns selbst Wer neue Antworten will, muss neue Fragen stellen, sagte einst Kindern macht der Regen nichts aus. Sie brau- sie einfach Lego spielen zu lassen, wo sie doch in derselben Zeit
schon Johann Wolfgang Goethe. Nicht nur in einer Wissen-
4 INTERVIEW schaftsstadt wie Adlershof gilt es daher, frühzeitig in den Nach- chen frische Luft. Sie müssen sich bewe- Gitarre oder Ballett lernen könnten. Was soll aus ihnen
Detlef Senger im Gespräch: Industriemechanikausbilder wuchs zu investieren, ihn neugierig zu machen, ihn zum Fragen gen. Das weiß jeder. Erwachsene brau- werden, wenn eines Tages das richtige Leben beginnt und
auf Sponsorensuche stellen zu ermuntern. Erst vor kurzem, als zur „Langen Nacht der chen auch frische Luft, aber die meisten sie sind nicht optimal vorbereitet? Haben ihre Fähigkei-
ten nicht entdeckt und wissen nicht, wo ihre Talente
5 MENSCHEN Wissenschaften“ wieder Tausende nach Adlershof strömten, atmen die frische Luft lieber dann ein, liegen? Als wäre nicht jeder einzelne
wenn es nicht gerade regnet. Auch
Trommelwirbel für die Chemie: „Club Lise“-Mentorin gab es dazu reichlich Gelegenheit. sie müssen sich bewegen, tun Tag ein Tag im richtigen Leben eines
Anne Fuhrmann macht Mädchen neugierig auf Naturwissenschaft Kindes, sind wir mit ihrer Zukunft
Wissen weitergeben, durch die eigene Begeisterung Interesse es aber selten, weil sie lieber
6 TITELTHEMA bei anderen wecken – das macht nicht nur Spaß, sondern ist sitzen. Der Unterschied zwi- beschäftigt und befüllen sie wie
einen Vorratsschrank, damit
schen Kindern und Erwach-
Früh übt sich … Alltagsnahe Unterrichtsinhalte und Praktika für auch Arbeit. Jeder der lehrt, lernt auch. Er pusht sich und andere, im Fall des Falles auch alles
den MINT-Nachwuchs ist bereit, neue Lösungen zu finden, neue Wege zu gehen. Dass senen ist, dass man Kinder
Fragen beantworten ganz schön anstrengend sein kann, weiß scheuchen kann, bei Erwach- da ist. Jedes Kind weiß, was
8 UNTERNEHMEN ich aus eigener Erfahrung mit zwei Söhnen. Daher Hut ab senen ist das schwierig. seine Leidenschaften sind,
Adlershofer Azubitalente: Sieben Porträts, die für eine Lehre im vor den Ausbildern, Personalbetreuern, Lehrern, Erziehern, worauf es neugierig ist
Technologiepark sprechen Mentoren, Trainern, denen wir bei der Recherche für dieses Heft Wir scheuchen die Kinder und was es wissen möch-
nicht aus einer Laune he-
te. Eine Leidenschaft muss
12 EINBLICKE begegnet sind. Der Lehrausbilder Detlef Senger, die Chemike- raus. Wir wissen, was gut man nicht suchen, sie ist
rin Anne Fuhrmann, der Informatik- und Mathematiklehrer
Produktiver Brutkasten für Fachkräfte: Lernfabrik Neue Technologien Sascha Vorwerk und Evelyn Schmidt, die Projektleiterin in für sie ist, wir wissen, da, und wenn sie stark
mit erstem Kurs am Start was sie brauchen. Ritua- genug ist, erlischt sie nicht.
der Lernfabrik – sie stehen hier beispielhaft für das Engagement
14 GRÜNDER vieler Adlershofer bei der Aus- und Weiterbildung von Fach- le, das sagt einem schon Wir lassen unseren Kindern nur
die Hebamme, das sagen
keine Zeit, sie in ihrem eige-
Wärmedämmung aus dem Vulkan: Die neu gegründete kräften und Nachwuchsforschern. die anderen Eltern, das
Interbran Systems setzt auf luftgefüllte mineralische Kügelchen nen Tempo zu entdecken.
Die Kurzporträts der sieben Auszubildenden in dieser Ausgabe steht in allerlei Büchern.
16 MEDIEN geben Einblick in das breite berufliche Spektrum in der Wissen- Ein Einschlafritual zum Was ist mit uns, den Er-
Vom Minnesänger zum Musikcoach: Reimar Paschke schlägt schaftsstadt. Vom Anwendungsentwickler bis zum Zerspanungs- Beispiel. Dazu legt man wachsenen? Was ist mit
den richtigen Ton an für den Sängernachwuchs facharbeiter – für junge Leute gibt es hier viele Möglichkeiten, das Baby jeden Abend um unseren Talenten? Wir reden
ihre berufliche Karriere zu starten. Und für innovative Firmen dieselbe Uhrzeit im sel- uns raus und sagen, wir sei-
18 CAMPUS existieren hervorragende Bedingungen, qualifiziertes Personal ben Schlafsack mit demselben en zu alt, um jetzt noch Geige
Starthilfe für die Forscherkarriere: Humboldt-Universität fördert zu finden und selbst auszubilden. Kuscheltier ins selbe Bett. Ich habe spielen zu lernen. Damit hätte
junge Akademiker mit Stipendien vergessen, ob auch immer dasselbe Schlaflied dazu ge- man als Kind anfangen müssen. Es
21 KURZNACHRICHTEN summt werden muss oder ob man ab und an auch mal etwas ist wahr, wir lernen nicht so rasch wie die Kinder, aber wir tun
erzählen darf. Ohne Einschlafritual können Babys offenbar nicht es. Aber statt uns selber aufzuraffen, treiben wir lieber unsere
einschlafen, als hätten sie nicht schon im Mutterleib geschlafen, Kinder an. Wir wollen ja nur ihr Bestes.
Ihre ohne Lied und ohne Schlafsack.
Sylvia Nitschke Das Kind braucht feste Essenszeiten. Wird das Baby außer- Dilek Güngör ist Journalistin und Autorin. Vielen Hauptstädtern
Leiterin Adlershof Print planmäßig hungrig, geht man mit dem weinenden Kind in vertraut wurde sie durch ihre bis Sommer 2014 in der Berliner Zeitung
Ausführliche Texte und Adlershofer Termine der Wohnung auf und ab, lenkt es ab und singt ihm etwas vor, erschienene Kolumne.
finden Sie unter:
www.adlershof.de/journal


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