Page 4 - Adlershof Journal Januar/Februar 2016
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INTERVIEW
INTERVIEW MENSCHEN




Im Gespräch mit L änger als ein halbes Jahr hat sie eigent-
lich nicht bleiben wollen. Sechs Jahre sind
Kathrin Aziz-Lange es mittlerweile geworden „in dieser tollen
Stadt“. Aus Österreich nach Berlin: „Ich

Eigentlich wollte sie Dokumentarfilmerin werden. Das war der Jugend- bin ein klassischer Wirtschaftsflüchtling“,
sagt Magdalena Böck.
traum von Kathrin Maria Aziz-Lange. Doch dann studierte und promovierte
sie in Physik. Weil das so unendlich viele Möglichkeiten eröffnet, sagt sie. War es also die pure Not? Eher möchte
man glauben, dass es die Lust am Expe-
Jetzt führt sie Regie beim Aufbau einer eigenen Helmholtz-Nachwuchs- riment und die Neugier waren, die die
gruppe im Bereich solare Brennstoffe am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB). heute 28-Jährige in die Ferne trieben.
Ohne Kamera. Die holt sie momentan nur raus, um festzuhalten, wie ihre Schon die Wahl des Studienfachs ließ
einjährige Tochter die Welt entdeckt. Musik, Kunst, Sport – die 31-Jährige tief blicken. Drei Jahre „Export Oriented
begeistert sich für vieles. Derzeit sprudelt sie über vor neuer Ideen in der Management“ an der Fachhochschule
Forschung, die sie umsetzen möchte. in Krems an der Donau, gekoppelt mit
Spanisch- und Arabischkursen.

Woran forschen Sie momentan? Vermutlich der passende Einstieg für
Wir untersuchen Materialsysteme, die mit eine junge Frau, die sich als „sprachaffin“
Sonnenlicht Wasser spalten und so die bezeichnet – Englisch, Französisch und
flüchtige Solarenergie chemisch im Brenn- Italienisch lernte sie auf der Schule im
stoff Wasserstoff speichern können. Spezi- heimischen Feldkirchen – und sich einen
ell geht es um die in In-operando-Charak- Hang zur „Internationalität“ bescheinigt.
terisierung für Defekte, wir wollen deren
Fingerabdruck in der elektronischen Struk- Die obendrein von sich sagt: „Ich bin ein
tur von Materialien für die Wasserspal- bisschen ein Chamäleon. Ich nehme im-
tung, also den dafür entwickelten Kata- Name: Kathrin Maria Aziz-Lange mer den Akzent meiner Gesprächspart- Magdalena Böck in ihrem Büro bei der GFaI
lysatoren und Halbleitern finden. Dazu Jahrgang: 1984 ner an.“ Weswegen ihrem Deutsch die
nutzen wir eine neue Zelle, in der man mit Wohnort: Kleinmachnow, Brandenburg Herkunft nicht anzumerken ist.
weicher Röntgenspektroskopie diese Ma- Beruf: Physikerin Global unterwegs
Markenzeichen: spricht sehr schnell
terialien währen ihrer Funktion untersu- In Österreich fand sich kein Arbeitgeber,
chen kann, das heißt bei angelegter Span- der für solche Talente Verwendung hat-
nung und in Kontakt mit Flüssigkeiten. Welche Eigenschaften sind Ihnen wichtig? Tochter spricht schon wie ein kleiner te. Der fand sich dann an der Spree – die Magdalena Böck verkauft Spitzentechnologie auf vier Kontinenten
Begeisterungsfähigkeit und Motivation. Wasserfall, aber beim Laufen ist sie sehr „Gesellschaft zur Förderung angewand-
Büro oder Labor – wo verbringen Sie die Damit versetzt man Berge. vorsichtig. So animiere ich sie immer ter Informatik“, kurz „GFaI“, die seit 1991
meiste Zeit? wieder mit einer anderen Idee, Schritt für Spitzentechnologie fertigt und seit 2011
Nach der Geburt meiner Tochter bis zum Wofür begeistern Sie sich außerhalb der Schritt zu wagen. in der Adlershofer Volmerstraße residiert.
Ende letzten Jahres habe ich Telearbeit ge- Physik? Dort freilich ist Magdalena Böck, vorsich- geschäftliche Verabredungen mit Kunden,
macht. Büroarbeit überwiegt auch künftig. Für ganz vieles. Ich mache gern Musik, Was können Sie überhaupt nicht? tig gesagt, nicht regelmäßig anzutreffen. E-Mails beantworten zu gewöhnungs-
habe mehrere Jahre Geigenunterricht ge- Ordnung im Haushalt ist nicht mein bedürftigen Tageszeiten. Es habe aber
Seit wann arbeiten Sie in Adlershof? nommen, kann auf der Gitarre und dem Steckenpferd, da bin ich ein chaotischer Jedenfalls will es etwas heißen, wenn sie auch seinen Reiz, gelegentlich am Strand
Mit Unterbrechungen seit 2009. Ich habe Klavier begleiten, und ich singe auch. Mit Typ. ihren derzeitigen Wohnort mit den Wor- zu Mittag zu essen statt in einer Adlers-
schon während meiner Diplomarbeit ers- meinem Bruder und ein paar Freunden ten preist: „Von allen Städten auf dieser hofer Kantine. Die freien Wochenenden
te Messungen am Elektronenspeicherring bilden wir zusammen eine kleine Band Was hat Sie zuletzt wirklich bewegt? Erde, die ich schon besucht habe, hat bieten ohnehin Gelegenheit, die Gegend
des HZB gemacht, bin dann für meine und spielen auf Familienfesten. Kunst Die Terroranschläge in Paris letzten Herbst. Berlin das beste Nahverkehrssystem.“
Promotion komplett ans HZB gekommen. finde ich auch spannend. Deshalb war es Sie hat viele Städte besucht. Melbourne, zu erkunden: „Nur um zu arbeiten, wird
Nach einem Postdoc am Max-Born- besonders schön, dass ich während mei- Wohin würden Sie auswandern, sollte das Querétaro, Hyderabad, Delhi, Bangalore. man auch nicht so weit fliegen.“
Institut bin ich mit dem Helmholtz-Post- ner Diplomarbeit zur Spektroskopie auch irgendwann einmal ein Thema werden? Sie war in Mexiko, in Indien, auch in Bra- Die Freizeit in Berlin verbringt sie dafür
doktorandenprogramm an die École poly- Kunst- und Kulturgüter im Louvre in Paris Ich bin ein sehr reisebegeisterter Mensch. silien, China, den USA. mit Freunden und Lektüre möglichst
technique fédérale de Lausanne in der untersuchen konnte. Ich male auch selbst, Doch je mehr ich von der Welt gesehen „unaufgeregt“. Allerdings nicht nur: Sie
Schweiz gegangen. vor allem florale Muster, aber auch gerne habe, umso mehr schätze ich Berlin und Zuständig für „International Sales & Mar- läuft, fährt Rennrad, „nicht weil ich es be-
mal Portraits. das Umland. Zum einen gibt es kulturell ket Development“ betreut sie GFaI-Pro-
Wie kommen Sie Zur Arbeit? viel zu erleben, aber man ist auch schnell sonders genieße“. Sondern weil sie glaubt,
Ich pendle zwischen Adlershof und Wann- Sport finde ich auch super. Ich hab ge- im Grünen. dukte auf vier Kontinenten. Wunderdinge dem Körper einen Ausgleich schuldig zu
see und in Zukunft wird auch noch eine turnt, Hockey und Volleyball gespielt, wie die „Akustische Kamera“, die in der sein. Dass sie zielstrebig ist, würde sie
Lehrtätigkeit an der Universität Bielefeld tauche gern und besitze sogar einen Ret- Wo holen Sie sich Inspiration? Lage ist, Geräuschquellen abzubilden. nicht bestreiten. Dass sie einen Karriere-
dazukommen. Zu meinen Berliner Arbeits- tungstauchschein. Nur an der Zeit zum Aus meinem interdisziplinären Arbeits- Sie verantwortet die Einweisung und plan hat, schon.
plätzen fahre ich mit dem Auto, nach Sport treiben mangelt es mir momentan. umfeld. Wenn ich mich mit Kollegen aus Beratung der Kunden und steuert als
Bielefeld dann mit dem Zug. anderen Bereichen unterhalte, überlege „virtuelle Führungskraft“ Vertriebsreprä- Zum Gespräch ist sie aus Australien zu-
Wann haben Sie zuletzt etwas Neues ich, ob und wie meine Forschungen bei sentanzen rund um den Globus. geschaltet, gerade aus Sidney zurück-
Ihr Lieblingsort in Adlershof ist … ausprobiert? der Lösung ihrer wissenschaftlichen Pro- gekehrt. Auch eine tolle Stadt, wo sie
… der Ernst-Ruska-Uferstreifen am Teltow- Mit Kind ist man täglich in einer Situati- bleme helfen können, und komme auf Disziplinierte Acht-Stunden-Tage sind es gerne leben würde. „Das wird auch noch
kanal. on, wo man etwas Neues probiert. Meine neue Ideen. auch in der weiten Welt. Abends oft noch mal passieren.“ wid



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