Page 17 - Adlershof Journal März/April 2017
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CAMPUS Suntje Schmidt auf dem GRÜNDER
Dach des Geographischen
Instituts der HU
Das Labor im
Scheckkartenformat
„diamond inventics” weist Legionellen in Rekordzeit nach
räzise, schnell, energie- und wasser- hatte Richter erstmals Niedl getroffen
Psparend und dabei klein wie eine und war schnell von der Gründungsidee
Scheckkarte, so präsentiert sich das in- überzeugt. „Wertvolle Unterstützung“,
novative Chipsystem, mit dem krankma- so Niedl, lieferte das Team um Professor
chende Mikroorganismen in Wasserpro- Carsten Beta (Institut für Biologische
ben direkt vor Ort nachgewiesen werden Physik, Uni Potsdam). Ab Juni 2015 gab es
können. Entwickelt wurde der Test vom ein einjähriges EXIST-Gründerstipendium.
Start-up diamond inventics, das kürzlich Das Geschäft läuft gut. Zwei neue Mit-
ins Adlershofer Zentrum für Biotechnolo- arbeiter stoßen bald zum Team, weitere
Orte, an denen Wissen entsteht gie und Umwelt eingezogen ist. dürften folgen.
Bei den derzeit gängigen Methoden müs-
für den Schnelltest. Das bei industriellen
sen die Proben von der Entnahmestelle Vor allem Großkunden interessieren sich Einordnung in die Bereiche „gefährlich“
Wie funktioniert all das, was uns umgibt? Woher kommen Innovationen und welche Bedingungen brauchen ins Labor gebracht werden, um auf einem Produktionen verwendete, bis zu 50 Grad oder „unbedenklich“ ist gesichert. Auch
sie? Diese Fragen interessieren die Wirtschaftsgeografin Suntje Schmidt besonders. Seit kurzem ist sie Nährmedium eventuell vorhandene Bak- Celsius warme Prozesswasser ist nicht wenn das System noch nicht auf private
Juniorprofessorin am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin und am Leibniz-Institut für terien vermehren zu können. Erst nach heiß genug, um etwa Legionellen abzu- Nutzung ausgelegt ist, können sich die
Raumbezogene Sozialforschung (IRS). Tagen oder Wochen ist ein zuverlässiger töten. Wo man bisher bis zu zwei Wo- Gründer diese Weiterentwicklung durch-
Nachweis möglich. „Mit unserem Schnell- chen auf den Nachweis warten musste, aus vorstellen. Konkrete Überlegungen,
test wissen wir bereits nach 30 Minuten, klärt nun die Färbung des Filterpapiers das System per Smartphone bedienbar zu
er Raum im Geographischen Institut sieht so gar nicht nach Technischen Universität Berlin als auch in New York und forsch- ob beispielsweise Legionellen, Salmo- in wenigen Minuten, ob Gefahren durch machen, gibt es bereits. „Später wird man
DGeografie aus. Zwei Schreibtische, Garderobenschrank, te seit 2002 am Institut für Raumbezogene Sozialforschung nellen oder die Darmkeime Escherichia Krankheitserreger drohen. Zwar liefern den Schnelltest vielleicht in der Apotheke
Rechner, Pflanze. „Wie würde er denn nach Geografie ausse- der Leibniz-Gemeinschaft in Erkner, Brandenburg. „Eigentlich coli vorhanden sind“, sagt Biotechnologe die Papiertests noch keine quantitati- oder im Baumarkt kaufen können“, pro-
hen?“, fragt die junge Professorin zurück. Karten? Bodenpro- wollte ich Meteorologie studieren, aber über die Städte, in Robert Niedl. Prinzipiell nachweisbar sei- ven Ergebnisse, doch die zuverlässige phezeit Richter. pj
ben? Steine? In der Tat hat besonders Wirtschaftsgeografie denen ich gewohnt habe, kam ich zur Geografie.“ Schmidt en alle Erreger, gegen die es Antikörper
nicht mehr so viel mit der Natur und dem Boden zu tun. wohnt in Berlin-Tempelhof, tanzt und fotografiert gern. Bei gebe. Auf die Lieferung dieser aufwen-
gutem Wind lässt die 41-Jährige auf dem Tempelhofer Feld einen dig herzustellenden Substanzen sind
Professorin Suntje Schmidt beschäftigt sich damit, wie neues
Drachen steigen und genießt das Spiel mit dem Wind. die diamond-Gründer noch angewiesen,
Wissen und Innovationen entstehen, wer daran beteiligt ist
alles andere ist selbst gestaltet. So auch
und woher die Ideen überhaupt kommen. Ihre aktuellen For- Seit September arbeitet sie nicht mehr nur in Erkner am IRS,
schungsprojekte drehen sich um Orte, an denen Wissen ent- sondern ist an einigen Tagen der Woche auch am Geographi- die kleinformatigen Filter aus hochreiner
steht und kreative Tätigkeiten ermöglicht werden. schen Institut in Adlershof. Suntje Schmidts neu geschaffene Zellulose, mit winzigen Kanälen durchzo-
gen und mit speziellen Chemikalien be-
S-Juniorprofessur verbindet beide Forschungseinrichtungen.
Lokale Anker translokaler Wissensgemeinschaften heißt eines schichtet – das Herzstück des Minilabors.
Die Wissenschaftlerin pendelt zwischen den Orten und hat das
der Forschungsprojekte am IRS. „Der Titel ist etwas sperrig“, Das Gerüst für Filter und Mess-Chip wird
Ziel, Projekte und gemeinschaftliche Initiativen aufzubauen, die
lächelt Schmidt. „Wir beobachten, dass Ideen aus verschiede- im Labor per 3D-Drucker produziert.
Brücken schlagen zwischen den Instituten. „Für mich sind das
nen Ecken der Welt übers Internet zusammenfinden. Uns als
spannende neue Aufgaben und ich freue mich riesig darauf, weil Niedl beschäftigte sich bei seiner Pro-
Geografen interessiert, wie der Ort aussieht, wo sie zusammen-
ich viel Neues dazulernen werde“, sagt Schmidt. Die Strukturen motion an der Universität Potsdam mit
treffen. Das erforschen wir am Beispiel von Hackerspaces oder
an der Uni kennenzulernen sei ebenso eine Herausforderung, Mikrofluidik, einer Methode, die das Ver-
Coworking-Spaces.“ Untersucht wird, wer die Plattformen und
wie die ziemlich komplexen Forschungen in kleine Teile zu zer- halten kleiner Mengen von Flüssigkeit auf
Räume gründet, warum er das tut und wer sie wie nutzt.
legen, sodass es andere verstehen: „In der Lehre ist das Feedback engstem Raum untersucht und nutzbar
Ein anderes Projekt befasst sich mit „Open Creative Labs“. Das ganz unmittelbar. Ich sehe direkt, ob ich verstanden werde oder macht. Mit drei Mitstreitern setzte er in
sind Orte, die oft wie Werkstätten aussehen, ausgerüstet mit nicht. Und es macht Spaß, die Studenten einzubeziehen.“ den folgenden drei Jahren die Geschäfts-
CNC-Fräsen und 3D-Drucker. „Mich fasziniert die Vielfalt die- idee des „Labors im Scheckkartenformat“
Der Wissenschaftsstandort Adlershof sei ein sehr gutes Beispiel
ser Orte, in denen etwas Neues entsteht, oft durch Tüfteln um. Mit von der Partie sind Industriedesi-
für eine große Entwicklungsmaßnahme mit dem Ziel, Wissen-
und Ausprobieren und gegenseitige Unterstützung.“ Schmidt gnerin Nicole von Lipinski, der Physiker
schaft und Wirtschaft miteinander zu verknüpfen. Ein Ort, wo es
und ihre Kollegen am IRS erforschen, was der gesellschaftliche Alexander Anielski, der die Messtechnik
Mehrwert dieser Labs ist. Ihre Untersuchungen helfen, Prozesse Räume, Unterstützung und Know-how gibt für Neugründungen. entwickelt, sowie die Kauffrau Katja Rich-
besser zu verstehen, um sie zu unterstützen und Förderinstru- „Als Wirtschaftsgeografin wünsche ich mir noch mehr Räume, ter, die für die Geschäftsentwicklung zu-
in denen sich die einzelnen Institutionen besser begegnen kön-
mente gut einzusetzen. ständig ist.
nen. Ich selbst gehe zum Beispiel sehr gern zur Langen Nacht der
Suntje Schmidt, die im mecklenburgischen Güstrow geboren Wissenschaften“, erzählt Juniorprofessorin Suntje Schmidt. Und Beim SpeedDating von Existenzgründern
wurde, studierte Geografie und Amerikanistik sowohl an der demnächst wird sie daran vielleicht selbst mitwirken. jg und BWL-Experten an der Uni Potsdam Sie sind krankmachenden Mikroorganismen in Wasserproben auf der Spur: Das diamond-inventics-Team
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