Page 10 - Adlershof Journal September/Oktober 2017
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UNTERNEHMEN                                                                                                                                                                                                              ANZEIGE




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                                                              Claney Pereira (r.) und das Vaxxilon-Team

        „Impfen ist eine der effektivsten medizinischen Maß-
        nahmen überhaupt“, sagt Tom Monroe, Geschäfts-        Impfstoffe  zu  entwickeln  und  zu  produzieren,  ist  heute  noch   In  Absprache  mit  dem  Paul-Ehrlich-Institut  (Bundesinstitut  für
        führer der Vaxxilon GmbH, deren Forschungsabtei-      aufwendig und teuer. Meist werden in Zellkulturen gezüchtete      Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel) findet bereits eine
                                                              oder  abgetötete  Bakterien  verarbeitet.  Entscheidend  sind  be-
                                                                                                                                Studie an Kaninchen mit einem von Vaxxilon entwickelten Impf-
        lung in Adlershof angesiedelt ist. In der Tat hat die   stimmte Teile der bakteriellen Zellhülle, die aus Kohlenhydraten,   stoff gegen eine besonders gefährliche Form der Lungenentzün-
        Aktivierung der körpereigenen Abwehr durch Zufuhr     hauptsächlich Zuckern, bestehen. Nach der Impfung muss sich       dung statt. Vom Erreger, dem Bakterium „Streptococcus pneumo-
        abgeschwächter oder abgetöteter Erreger schon         das  menschliche  Immunsystem  mit  ihnen  auseinandersetzen.     niae“, existieren bis zu 30 pathogene Formen, gegen die es nur
        vielen Millionen Menschen das Leben gerettet. Dieser   Dabei bilden sich Antikörper, die bei einer realen Ansteckung den   teilweise  wirksame  Impfstoffe  gibt.  Das Vaxxilon-Team  hat  das
        Erfolgsstory sollten neue Kapitel hinzugefügt werden,   Erreger ausschalten.                                            Streptococcus-Bakterium vom Serotyp ST3 ins Visier genommen.
        betont Monroe. Gegenwärtig gebe es insgesamt nur      Diese  Zucker  sind  sehr  komplex  gebaut,  haben  vernetzte  und   Der Test dient als Nagelprobe, ob das Verfahren generell funkti-
        etwa 30 Impfstoffe, angesichts der vielen aktuellen   gefaltete Strukturen, erklärt Claney Pereira, Leiter der aus neun   oniert. Es muss sichergestellt sein, dass der Impfstoff in ausrei-
        Erreger seien Hunderte weitere nötig.                 Mitarbeitern, hauptsächlich Chemikern und Biologen, bestehen-     chend großen Mengen produziert werden kann und in gelöster
                                                                                                                                Form monatelang stabil und wirksam bleibt.
                                                              den  Vaxxilon-Forschungsgruppe.  Einige  haben  ebenso  wie  er
                                                              schon am Max-Planck-Institut (MPI) für Kolloid- und Grenzflä-     Läuft  alles  zufriedenstellend,  steht  ein  Test  für  einen  weite-
                                                              chenforschung in Potsdam-Golm die Zuckersynthese erforscht.       ren Impfstoff auf der Agenda. Es geht um das Bakterium „Hae-
                                                              Pionier auf diesem Gebiet ist Professor Peter Seeberger, Direk-   mophilus  influenzae  vom  Typ  b“  (Hib),  das  schwerwiegende
                                                              tor am Potsdamer MPI. Im Jahr 2015 ist er zusammen mit dem        bakterielle  Infektionen  vor  allem  bei  Kleinkindern  hervorrufen
                                                              Schweizer Biotechnologieunternehmen Actelion Mitbegründer         kann. Besonders kritisch ist die Situation in Entwicklungsländern,
                                                              des Start-ups Vaxxilon. Seeberger entwickelte einen Automaten,    wo viele Kinder gar nicht geimpft werden.
                                                              der Zuckerketten schnell und präzise synthetisieren kann. Damit
                                                                                                                                „Das wäre der zweite Beweis, dass unsere Methode funktioniert“,
                                                              ist man nicht mehr darauf angewiesen, Erreger zu züchten und
                                                                                                                                sagt Monroe. Zudem überlegen die Vaxxilon-Experten, wie das vo-
                                                              Kohlenhydrate aus deren Zellhülle zu isolieren. Zudem wird die
                                                                                                                                luminöse Trägerprotein gegen ein synthetisch hergestelltes klei-
                                                              Entwicklung  von  Impfstoffen  auch  gegen  Bakterien  möglich,
                                                                                                                                neres Gebilde getauscht werden könnte. Nicht nur die Produktion
                                                              die  nicht  gezüchtet  oder  deren  Zuckerketten  nicht  isoliert
                                                                                                                                des Impfstoffs wäre dann einfacher, auch die aufwendige Kühlung
                                                              werden können.
                                                                                                                                würde wegfallen. Durch dieses neue Trägermolekül wird das Im-
                                                              Die Vaxxilon-Forscher machten sich daran, möglichst viele Impf-   munsystem auf einem anderen Weg aktiviert. Das könnte dazu
                                                              stoffkandidaten zu identifizieren. Dann war es wichtig heraus-    führen, dass insgesamt weniger Impfungen notwendig werden.
                                                              zufinden,  welcher  möglichst  kleine Teil  der  Bakterienhülle  die
                                                              Immunität  gegen  den  Erreger  auslöst  und  diesen  nachzubau-  Schließlich  nehmen  die  Vaxxilon-Forscher  den  äußerst  gefähr-
                                                              en.  An  ein  Trägerprotein  geheftet,  könnten  die  synthetischen   lichen  Krankenhauskeim „Klebsiella  pneumoniae“  ins Visier,  der
                                                              Impfstoffe wirksam werden. Ob dies gelingt, muss zunächst an      schon  viele  Todesopfer  gefordert  hat.  Einen  Impfstoff  gibt  es
        Impfstoffforschung bei Vaxxilon                       Kaninchen und Mäusen getestet werden.                             bisher nicht.   pj


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