Page 5 - Adlershof Journal Mai/Juni 2017
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MENSCHEN
 INTERVIEW  Bernd Haase mag experimentelle Skulpturen wie das                                       MENSCHEN
 Kryptografie-Kunstobjekt an der Rudower Chaussee
 Ecke Brook-Taylor-Straße
 auch mal etwas Neues wagen, so können
 wir  jede  neue  Arbeitswelt  für  unseren    Die Datenliebhaberin
 Vorteil nutzen.
 Wann waren Sie das erste Mal in Adlershof?
 Das  war  Anfang  der  1990er  Jahre.  Ich     Firmengründerin Christin Schäfer lebt in Adlershof ihren Traum
 arbeitete  in  einem  Ingenieurbüro  und
 habe  am  Bürogebäude  des  Elektronen-
 speicherrings  BESSY  II  mitgeplant.  Da-
 nach war ich einige Jahre in Eisenach und    s sind die vielen kleinen Dinge, aus denen große Wirkungen
 Hannover tätig, wollte als Urberliner aber   Eentstehen. Die unscheinbaren Details, die einzelnen Informa-
 immer  wieder  zurück.  2012  gab  es  dann   tionen. In der Masse lassen sie Strukturen erkennen, geben Mus-
 die  Gelegenheit,  als  ich  für  Vollack  den   ter preis, sogar Antworten auf intime Gewissensfragen. Etwa die
 Technologiepark Adlershof als Berliner De-  Sorge eines skrupulösen Investors, sein Geld könnte in Projekte
 pendance empfohlen habe.  fließen, die seinen privaten Moralvorstellungen widersprechen.
 Name: Bernd Haase  Ist eine eigene Vollack-Immobilie am
 Jahrgang: 1970  Standort geplant?  Mit ihrer jungen Firma „acs plus – data with care“ hat Christin
 Wohnort: Berlin-Köpenick  Schäfer für einen Finanzdienstleister ein Programm entwickelt,
 Beruf: Architekt  Für  den  Immobilienentwickler  immexa   das auf genau diese Frage die Antwort verheißt. Welterkennt-
 haben wir das Gebäude an der Rudower   nis durch Datenanalyse ist die lebenslange Leidenschaft der an
 Chaussee  46  gebaut,  welches  mit  dem   der TU Dortmund ausgebildeten Diplomstatistikerin. Ins digitale
 Im Gespräch mit   LEED-Zertifikat  in  Gold  ausgezeichnet   Zeitalter hineingeboren worden zu sein, empfindet sie als Privi-
 wurde. Dort sind wir derzeit auch Mieter.   leg: „Ich habe das Glück, dass die Welt sich in die Richtung ent-
 BERND HAASE  wir schon über den Erwerb eines eigenen   wickelt, dass wir Menschen brauchen, die mit Daten umgehen
 2020 endet unser Mietvertrag, daher sind
        können.“
 Grundstücks in Adlershof im Gespräch.
        In ihrer Kindheit in Kassel, um 1980 herum, war das Telefonbuch
 Was ist für Sie das interessanteste Adlers-  der  einzige  greifbare  Massendatenbestand.  Christin  malte  die
 Er ist Partner bei der Vollack Gruppe. Er nennt sich Gebäudestratege. Was das ist   hofer Gebäude?
        Nummern mit Buntstiften aus. „Hässliche“ Ziffern, die 3 oder die
 und warum ein Iglu für ihn das schönste Gebäude der Welt ist, erklärt er im Inter-  Da fallen mir gleich zwei ein: der Trudel-  7, mit Rot. „Schöne“ wie die 8 mit den freundlichen Farben Grün
 view. Der natur- und sportbegeisterte Familienvater liebt die Veränderung, experi-  windkanal  und  die  thermokonstanten   oder Blau. Begeisterte sich an den Mustern, die so entstanden.
 mentiert mit Holzkunst, veredelt alte Apfelbaumsorten in seinem Garten in der   Kugeln.  Adlershof  ist  ein  Standort  mit   Studierte  die  statistische  Verteilung  von  Nachnamen.  Erlebte
 Uckermark und zeigt sich auch der bei der internationalen Küche probierfreudig.  Geschichte und viel Innovationskraft. Das   als „großen Moment“ eine Hörfunkreportage über eine physika-
 lässt  sich  an  den  beiden  luftfahrttechni-
        lische Anlage, die Neutrinos aufspüren sollte. Diese ließen sich
 schen Denkmalen gut ablesen.
 Was macht ein Gebäudestratege?  Die Installation von Photovoltaik und eine   nur  durch  die  Analyse  der  Datenströme  nachweisen,  die  von
 Wir  haben  einen  ganzheitlichen  Ansatz,   spätere Gebäudeerweiterung sind bereits   Und das schönste Gebäude weltweit?  Sensoren aus der Anlage übermittelt wurden. „Die Entdeckung
 sind nicht nur Architektur- und Planungs-  jetzt vorgesehen.  Ein Iglu. Es ist mit einfachsten Mitteln ge-  macht der Datenanalyst“ – das war das Aha-Erlebnis.
 büro, sondern auch Bauausführender. Das   Welche Baumaterialien empfehlen Sie?  baut, vergänglich und dennoch dauerhaft.
 schließt  die  Grundstückssuche  und  das   Es  schafft  Raum,  geschützt  zu  leben.  Ein   Es hat der enthusiastischen Wissenssucherin, Hobbyfotografin
 Ausloten von Fördermöglichkeiten ein.  Unser Fokus liegt auf regionalen Produk-  gutes  Gebäude  zwingt  sich  nicht  auf,  ist   und  Opernliebhaberin  an  solchen  Erlebnissen  nie  gefehlt.  Am
 ten,  das  heißt  Produkte,  die  aus  einem   unaufgeregt,  unauffällig,  aber  trotzdem   Berliner  Fraunhofer-Institut,  wo  sie  von  2002  bis  2006  wirk-
 Wie  viele  Bauvorhaben  betreut  Vollack   Umkreis von 250 km kommen.   te,  damals  schon  in  Adlershof,  war  sie  an  einem  Projekt  des
 derzeit in Adlershof?  in  der  Lage,  Heimstatt  für  Menschen  zu   Familienministeriums  beteiligt.  Unter  welchen  Bedingungen
 Wie sieht die optimale Arbeitswelt    geben.
 Drei Büro- und Produktionsgebäude – die   heute aus?  entscheiden sich junge Paare für Kinder, war die Frage. In den
 Neubauten für Fortis Consulting mit dem   Was machen Sie in Ihrer Freizeit?  Datenmassen  des  sozioökonomischen  Panels  entdeckte  Schä-
 Ankermieter Holoeye AG, DanTech Energy   Es ist ein Mix von Arbeitswelten: Offene,   Als  Jugendlicher  habe  ich  Leichtathletik   fer  eine  damals  überraschende  Korrelation:  Gut  war  die  Aus-
 und  das  Firmengebäude  für  den  Glasfa-  kommunikative  Orte  zum  Ideen  entwi-  und Zehnkampf trainiert sowie Volleyball   sicht auf Nachwuchs dort, wo beide Partner sich die Hausarbeit
 serspezialisten  Loptek  haben  wir  zu  Jah-  ckeln  und  austauschen,  Plätze,  wo  man   gespielt. Letzteres spiele ich immer noch.   teilten.
 resbeginn fertiggestellt.   interaktiv  tätig  sein  kann,  wie  etwa  ein   Im Winter  fahre  ich  am  liebsten  im Tief-
 Videokonferenzraum,  und  Rückzugsor-  schnee  Ski,  im  Herbst  wandere  ich  mit   Die reine Wissenschaft stillte nicht den Wunsch nach Praxisbe-
 Welche Rolle spielt energieeffizientes    te  gehören  dazu.  Die  Arbeitswelt  ver-  der  Familie  in  Südtirol  und  genieße  dort   zug: „Ich bin glücklich, wenn jemand sagt: Cool, das kann ich ge-
 Bauen für Sie?  ändert  sich  sehr  schnell.  Ich  bin  sicher,   das Törggelen. Das ist ein alter Brauch, der   brauchen.“ Schäfer begann eine zweite Karriere im Finanzsektor
 Was  im  Wohnungsbau  längst  Pflicht   ein  Büroarbeitsplatz  wird  zukünftig  vor   bedeutet,  dass  nach  dem  Weinpressen   als Risikoanalytikerin für die Deutsche Bank in Frankfurt, später
 ist,  daran  kommt  heute  auch  im  Indus-  allem  Konzentrationsarbeitsplatz  sein,   ordentlich geschmaust wird. In den Berg-   für  ein  Geldinstitut  in Wien.  Behielt  als  prägende  Erinnerung,
 trie-  und  Gewerbebau  kaum  noch  einer   der Raum lässt für unsere menschlichen   hütten,  Schänken  und  Restaurants  kann   dass sie die Digitalisierung des Geldverkehrs aus nächster Nähe
 vorbei.  Deshalb  steht  der  Anspruch  an   Stärken wie Empathie, Werte und die Ent-  man dann den neuen Wein verkosten und   miterleben durfte.
 nachhaltiges Bauen im Einklang mit den   faltung  unserer  emotionalen  Intelligenz.   lecker  essen.  Mit  meiner  Familie  zusam-
 Kundenwünschen  auf  unserer  Agenda   Extrem  leistungsfähige  Maschinen  und   men koche ich gern. Neue Energie  tanke   Und  doch:  „Ich  wollte  zurück  zu  meinen  Daten.“  Wieder  sel-
 ganz oben. Bestes Beispiel ist der Neubau   Computer  werden  uns  zunehmend  All-  ich in unserem Garten in der Uckermark,   ber  programmieren.  Auch  zurück  nach  Berlin,  der  „grünsten“
 von DanTech Energy. Dieses Gebäude wird   tagsaufgaben abnehmen. Das wird span-  der eine große Obstwiese ist. Es gibt nichts   Stadt  auf  ihrer  „emotionalen  Landkarte“.  Als  Gründerin  ei-
 mit der Fertigstellung das größte Produk-  nend, weil Technik und Maschinen schon   Schöneres für mich als ein Frühstück un-  ner  Firma  für  datenanalytische  Dienstleistungen  in  Adlershof
 tions- und Bürogebäude in Berlin im Pas-  heute große ergonomische Entlastungen   ter  blühenden  Apfelbäumen.  Im  Garten   begann Schäfer „Karriere Nummer drei“. Bezog im Februar einen
 sivhausstandard sein. Besonderheit ist die   in  der  Produktionsarbeit  ermöglichen.   sammle  ich  Altholz  und  Äste  und  arran-  Raum  mit  Fernblick  im  vierten  Geschoss  des  Internationalen
 Ausstattung des Gebäudes mit einer inno-  Wir  sollten  uns  auf  den  permanenten    giere daraus in Kombination mit anderen   Gründerzentrums OWZ: „Ich gehe beschwingt in dieses Zimmer,
 vativen  Lüftung  durch  Induktionsgeräte.   Wandel  einstellen,  aktiv  gestalten  und   Materialien experimentelle Skulpturen.  voller Freude auf den Tag in meinem Büro.“   wid  Christin Schäfer versteht die Sprache der Daten

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