Page 13 - Adlershof Journal Januar/Februar 2017
P. 13

UNTERNEHMEN

 Die art photonics GmbH ist ein Adlershofer Urgestein.
 Seit 1998 entwickelt und fertigt das heute 30-köpfige
 Team um Gründer und Geschäftsführer Viacheslav
 Artyushenko maßgeschneiderte Lichtwellenleiter für
 Einsätze in Medizin, Forschung und verschiedensten
 Industriebranchen.

























        Arbeiten	an	neuen	Anwendungen: Viacheslav Artyushenko mit Olga Bibikova, Doktorandin der Uni Ulm (l);    Gewebeprobe: Mit einer faseroptischen Sonde
        Urszula Joanna Zabarylo, Doktorandin an der Charitè (M.) sowie Annabelle Sophie Bahr, Studentin.   werden die Grenzen eines Tumors festgestellt.
                                                                                     Die Messungen erfolgen für das Projekt FOMoS,
                                                                                     das über den Europäischen Fond für regionale
                                                                                     Entwicklung gefördert wird.

 Hochspezialisierte    spezifischer  Kundenanforderungen  konfektioniert.  Feinste    sowie die UV-Vis-Spektroskopie aus. Passgenau heißt in diesem
        LWL, mal aus Quarzglas mal polykristallin, mal metallumman-
                                                              Fall, dass die Faserbündel beispielsweise für Einsätze in der Petro-
        telt  oder  speziell  für  mittleres  Infrarot  auf  Basis  sogenannter
                                                              sogar Kilometer lang sein können. Die optischen Kabel sorgen für
        Chalkogenid-Gläser.  Manchmal  bündeln  die  Adlershofer  auch     chemie oder in großen Reaktoren mehrere hundert Meter oder
        unterschiedliche Fasern, um Wellenlängenspektren für spektros-
                                                              eine flexible Direktverbindung zwischen stationären Spektrome-
 Lichtwellenleiter   kopische Untersuchungen maximal auszuweiten.  tern und dezentralen Prozessen – und erlauben so eine perma-
                                                              nente Prozesskontrolle. Sie senden das Licht in den Prozess und
        In  den  LWL,  die  äußerlich  mal  an  Angelschnur  mal  an  feine
        Kupferdrähte  erinnern,  steckt  jede  Menge  Know-how.  Im    übertragen es zur spektroskopischen Analyse zurück.
        Wellenlängenbereich von 2 bis 16 µm sieht Artyushenko seine   Was mit Chemieanlagen, Atomkraftwerken und in der Pharma-
        Firma  weltweit  an  der  Spitze.  Die  Technologie  polykristalliner     produktion  schon  funktioniert,  ist  nun  auf  dem  Weg  in  den
        Fasern, die art photonics hier an drei Maschinen extrudiert, nennt   menschlichen Körper. Um die hoch genaue Unterscheidung von
        er  sein  „Baby“.  Die  Fasern  beschäftigen  ihn  schon  seit  seiner     Tumoren und gesundem Gewebe auf eine breite, fundierte Basis
        Diplomarbeit an der Akademie der Wissenschaften der damali-  zu  stellen,  kommt  das  gesammelte  Faser-Know-how  des  mitt-
        gen Sowjetunion. Im Jahr 1990 war er einer der Gründer eines   lerweile über 30 Mitarbeiter starken Teams zum Tragen. Denn
        damals russisch-amerikanisch-deutschen Joint Ventures. Sieben   für verschiedene Gewebe und Tumorarten sind vier verschiede-
        Jahre später entschied er, in Adlershof erneut zu gründen. „Berlin   ne  Analyseverfahren  in  unterschiedlichen  Wellenlängenberei-
        ist mein zweites Zuhause. Wir haben schon lange vor der Mauer-   chen im Einsatz. „Die Systeme sind so kompakt, dass sie künftig
        öffnung  mit  dem  Lasermedizinischen  Zentrum  am  Steglitzer   Sofortanalysen  direkt  im  Operationssaal  ermöglichen  wer-
 Geduld?  –  Viacheslav  Artyushenkos  Flug  nach  Amsterdam   diese Unterschiede sofort sichtbar. Gut möglich, dass Chirurgen   Benjamin-Franklin-Klinikum zusammengearbeitet“, berichtet er.
 geht  in  eineinhalb  Stunden.  Doch  er  lässt  sich  nicht  aus  der     schon in naher Zukunft nadelartige Sensoren in Gewebe stechen   den“, sagt Artyushenko. Sein Team baut derzeit eine Datenbank
 Ruhe  bringen  und  führt  den  Besuch  durch  das  Labor  und  die    und  umgehend  Rückmeldung  erhalten,  ob  es  sich  noch  um    Artyushenko  denkt  und  agiert  konsequent  international.  Sein   für  unterschiedliche  Tumortypen  auf,  mit  der  Spezialkliniken
 Fertigung seiner art photonics GmbH im schmucken Neubau in    Tumor- oder bereits um gesundes Gewebe handelt.  Know-how  ist  gefragt.  Gegenwärtig  treibt  art  photonics  ein     schnelle  Analysen  erhalten  werden.  In  Zweifelsfällen  können
 der Rudower Chaussee 46.   Projekt mit dem größten Laserhersteller der Welt voran, faser-   Chirurgen  die  Daten  in  die  Cloud  laden  und  Experten  in  aller
 Basis dafür sind die speziellen Lichtwellenleiter der Adlershofer.   optische  Produkte  für  medizinische  Laseranwendungen  zu   Welt konsultieren. Den nächsten Schritt hat der Experte bereits
 Die  Reise  nach  Amsterdam  hat  einen  wichtigen  Grund.  Die   „Wir  sind  nicht  im  Telekom-  und  anderen  Massenmärkten   entwickeln.  Dabei  kann  sich  das  Unternehmen  auf  seine  Er-  im  Kopf:  „Wenn  unsere  Analysewerte  verfeinert  sind,  könnten
 art  photonics  steht  mit  ihren  hochspezialisierten  Lichtwellen-   für  Glasfaserkabel  aktiv,  sondern  dort,  wo  maßgeschneiderte     fahrung bei der Herstellung tausender unterschiedlicher Licht-  künftig statt Spektrometern auch durchstimmbare Lichtquellen
 leitern (LWL) im Zentrum einer Entwicklung, die es Chirurgen in   Lösungen  gefragt  sind“,  erklärt  Artyushenko.  Man  entwickle   wellenleiter  für  Diodenlaser  stützen,  die  dank  gebündelter    zum Einsatz kommen, um mit noch kompakterer Technik noch
 Zukunft sehr viel leichter machen könnte, das Gewebe bösarti-  und fertige Fasern, die Licht aus CO2-, Festkörper- oder Dioden-  Fasern auch mehrere Kilowatt Leistung übertragen.   schneller  und  günstiger  zwischen  Tumoren  und  gesundem
 ger Tumore von gesundem Körpergewebe zu unterscheiden. Es   lasern  übertragen,  die  spektroskopische  Untersuchungen  über   Gewebe unterscheiden zu können.“ Es wäre ein enormer Fort-
 gibt  optisch  detektierbare  Unterschiede  zwischen  schnell  wu-  längere Distanzen hinweg direkt in Reaktoren oder Anlagen er-  Auch im Bereich der Spektroskopie arbeiten die Adlershofer mit   schritt.  Denn  schätzungsweise  zwei  Millionen  Krebspatienten
 cherndem Krebs und körpereigenem Gewebe. Diese sind für das   möglichen, oder Einsatz in der Pyrometrie finden. Das Spektrum   Global Playern wie Thermo Fisher Scientific Inc. zusammen und   jährlich  sterben  unnötigerweise  –  weil  Chirurgen  mit  ihrem
 menschliche Auge nicht sichtbar. Doch wenn die Lichtwellenlei-  reicht von Ultraviolett mit 180 Nanometern Wellenlänge bis tief   rüsten  deren  vielfältige  Spektroskopie-Lösungen  mit  passge-  limitierten  menschlichen  Sehvermögen  entweder  zu  viel  oder
 ter des Adlershofer Unternehmens diese Gewebe mit menschlich   in  den  mittleren  Infrarotbereich  mit  18  Mikrometern  Wellen-   nauen  Lichtwellenleitern  für  Nahinfrarot-(NIR)-,  Fourier-Trans-  zu wenig Gewebe entfernen. Die erweiterte Sicht der Photonik
 nicht  wahrnehmbaren  Wellenlängen  ausleuchten,  werden   länge. Ein Stockwerk tiefer werden die Faserbündel entsprechend    form-Infrarotspektrometer  (FTIR)  und  Raman-Spektrometer   kann und wird das laut Artyushenko ändern.   pt



 12  Adlershof Journal  |  Januar_Februar 2017                                    Adlershof Journal  | Januar_Februar 2017  13 13
   8   9   10   11   12   13   14   15   16   17   18