Page 8 - Adlershof Journal Januar/Februar 2017
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Langer Atem ist eine NACHGEFRAGT
Grundvoraussetzung für Erfolg in der
Pharmabranche, weiß Jan Michel
„Gut Ding will Weile haben“, besagt ein altes Sprichwort. der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) flossen in das Projekt,
Kaum übersichtlicher sind die Zeiträume in der Pharmafor- Auch wenn bei einigen aktuellen hauptstädtischen Dauerbau- junge Technologiefirmen erhielten Fördermittel für ihren Aufbau
schung: Mit Produktentwicklungszyklen von bis zu 15 Jahren stellen der Geduldsfaden der Berliner zum Zerreißen gespannt aus dem FIT-Anschubprogramm. Wesentliche Impulse brach-
von der Idee zum zugelassenen Medikament ist die Pharma- ist und politische Entscheidungen oft kurzfristig getroffen wer- ten die Entscheidung zur Errichtung der Synchrotronstrahlen-
branche nur etwas für Langläufer. Beim Adlershofer Nuklear- den, die Wissenschaftsstadt Adlershof mit dem Technologiepark quelle Bessy II und der Beschluss, die naturwissenschaftlichen
medizinspezialist 3B Pharmaceuticals GmbH kommt man als ihr Herzstück wurde auch nicht von einem Tag auf den ande- Institute der Humboldt-Universität zu Berlin nach Adlershof zu
schneller zum wirtschaftlichen Erfolg, denn das Unternehmen ren gebaut. Heute ist sie als wissenschaftliches und mittlerwei- verlagern – wogegen sich einiger Widerstand regte. Wichtig ne-
lizensiert seine Medikamentenkandidaten bereits im Verlauf le auch wirtschaftliches Schwergewicht aus Berlin nicht mehr ben der Zeit, die man Adlershof für den Aufbau ließ, war auch
der Entwicklung an Pharmaunternehmen aus. Diese führen alle wegzudenken. Der Technologiepark Adlershof, der 2015 seinen das Vertrauen der Politik in die Manager des Technologieparks.
für eine Zulassung erforderlichen klinischen Studien durch und 25. Geburtstag feierte, ist der größte Wissenschafts- und Wirt- Und in die Fachkompetenz des Aufsichtsrats, in dem Politik und
vermarkten das Medikament im Erfolgsfall. Beispielhaft hierfür schaftsstandort Deutschlands, zählt zu den bedeutendsten in Wirtschaft eine gewichtige Stimme haben. Industriegranden
ist das kürzlich mit dem französischen Pharmakonzern Ipsen Europa. Ein Ort, an dem heute über 16.000 Menschen in mehr als wie Lothar Späth, Hans Peter Stihl, Manfred Genz saßen im Kon-
geschlossene Lizenzabkommen rund um die Substanz 3BP-227. 1.000 Unternehmen und 16 Forschungseinrichtungen arbeiten, trollgremium der WISTA-MANAGEMENT GMBH (Wista), das die
Ipsen wird den nuklearmedizinischen Wirkstoff zur personali- forschen und lehren. Ein Ort mit über 6.000 Studierenden in den Geschicke in Adlershof lenkt. Außerdem zogen und ziehen in
sierten Therapie des Pankreaskarzinoms (Bauchspeicheldrüsen- Fächern Physik, Mathematik, Informatik, Chemie, Geographie und Adlershof alle beteiligten Senatsverwaltungen gemeinsam an
krebs) entwickeln. „Für Forschung und Entwicklung benötigt Psychologie. Inzwischen auch ein attraktiver Wohnort. einen Strang. Die Politik sorgte dafür, dass das Technologiepark-
man einen sehr langen Atem und Gleiches gilt im Übrigen auch projekt aus den Konjunkturzyklen der Legislaturperioden her-
für die Gespräche mit potenziellen Lizenznehmern“, berichtet Was heute wie eine nahtlose Erfolgsgeschichte anmutet, war in ausgehalten wurde und sich kontinuierlich entwickeln konnte.
Jan Michel, Director Finance & Corporate Development. „Da der gepaart mit der ständigen Bereitschaft, kritisch zu hinterfragen, ob den Anfangsjahren ein Projekt, von dem nur wenige überzeugt
wissenschaftliche Erfolg nur schwer bis gar nicht planbar ist, hilft man tatsächlich auf die richtigen Pferde setzt.“ waren. Bis zur Wiedervereinigung Deutschlands war Adlershof Und heute? Brauchen wir weiterhin Geduld für den Technologie-
nur eine gewisse Diversifikation des Geschäfts dabei, Rückschlä- eines der wichtigsten naturwissenschaftlichen Forschungszen- park Adlershof oder ist das inzwischen ein Selbstläufer? Roland
ge in einzelnen Projekten zu verdauen“, betont er. „Der Erfolg Oder wie Kropp-Büttner es formuliert: „Wer zu ungeduldig ist, tren der DDR mit 5.500 Beschäftigten. Die Institute wurden ab- Sillmann, seit einem Jahr Geschäftsführer der Betreibergesell-
gewickelt. Das Gelände bot nicht gerade einen schönen Anblick. schaft Wista spricht von einer neuen Phase, in der der Standort
erfordert die richtige Balance aus Beharrlichkeit und Zuversicht, beraubt sich des Erfolges.“ cl
Vertreter des Senats, der Industrie- und Handelskammer, der angekommen ist. Der Aufbau der Infrastruktur ist weitgehend
Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin und der Koordinierungs- und abgeschlossen. Der Ort ist für Investoren attraktiv, die Bilanz
Abwicklungsstelle für die Institute und Einrichtungen der ehema- des Firmen- und Beschäftigungszuwachses hervorragend. „Jetzt
ligen Akademie der Wissenschaften der DDR (KAI-AdW) arbeite- konzentrieren wir uns verstärkt auf den Service, vernetzen Grün-
MARATHONQUALITÄTEN GEFRAGT ten ein „10-Punkte-Programm: Zukunft für Berlin-Adlershof“ aus. der mit Großunternehmen und Mittelständlern, wollen helfen,
Auf dessen Basis entschied der Senat Berlins 1991 den Standort zu
Innovationszyklen zu verkürzen“. Parallel fließen viel Kraft und
einer „integrierten Landschaft aus Wirtschaft und Wissenschaft“
Zeit in den Aufbau weiterer Berliner Zukunftsorte. Dazu gehören
zu entwickeln. Ein Zeitrahmen von drei Jahren und rund 300 das Technologie- und Gründungszentrum FUBIC („Business and
Millionen DM waren dafür kalkuliert. Diese Vorgabe entpuppte Innovation Center next to Freie Universität Berlin Campus“) in
Technologieparkentwickler müssen vorausschauende Planer, kluge und eifrige Netzwerker sein. sich später als unrealistisch. Es sollte mehrere Legislaturperioden Dahlem, die Flächen nahe der Hochschule für Technik und Wirt-
Sie benötigen neben dem Mut, neue Wege zu gehen, aber vor allem eines: Marathonqualitäten. dauern und bedurfte Investitionen – öffentlich wie privat – von schaft in Schöneweide und Berlin TXL. The Urban Tech Rebublic,
Denn die Politik, meist Initiator dieser Hightechparks, ist ungeduldig. Warum die Erfolgsgeschichte rund zwei Milliarden Euro, um aus einem Wackelkandidaten die nach Schließung des Flughafens Tegel auf dessen Gelände
des Technologieparks Adlershof ohne den langen Atem seiner Entwickler und Förderer nicht möglich den Wachstumsmotor Adlershof zu machen. Der wirtschaft- entstehen soll. „Hier erhoffen wir uns von der Politik das glei-
che Vertrauen und die gleiche Unterstützung, die uns auch in
liche Aufbau war mühselig. Viel Geld aus dem Europäischen
geworden wäre. Regionalfonds und der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung Adlershof entgegengebracht wurden“, sagt Sillmann. sn
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