Page 7 - Adlershof Journal Januar/Februar 2017
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TITELTHEMA




















 Den Geduldigen




 gehört die Welt








 Kaum eine Stellenanzeige kommt ohne die Forderung nach „Durchhalte-
 vermögen“ aus. Doch was bedeutet diese Eigenschaft in der Praxis?
 Ist sie der Schlüssel zum Erfolg? Dazu haben wir Adlershofer Unternehmer
 und Wissenschaftler befragt.
        Planetenforscherin Heike Rauer vom DLR






 igentlich sollte es vorangehen, die Idee ist geboren, die Mo-  Gründer  noch  Überzeugungsarbeit  leisten  –  auch  so  eine    päischen   Weltraumor-
 Etivation ist hoch. Doch: Abwarten ist angesagt. Warten auf   Geduldsprobe. Doch darin sind die Gründer inzwischen geübt.   ganisation (ESA), deren   Ohne Geduld aller
 ein Signal des Investors, der Behörden, der Fördermittelgeber.   internationales   Instru-
        Warum haben sie dennoch nie die Flinte ins Korn geworfen?                       Beteiligten ließe sich
 Irgendwas steht immer im Weg. Davon können die Gründer des   mentenkonsortium
        „Wichtig ist, immer das Ziel vor Augen zu haben und sich auf
 Berliner Start-ups Vestaxx ein Lied singen. Oder besser: Durch-  Rauer leitet. PLATO soll   das nicht machen.
        dem Weg  dahin  lieber  kleine  Zwischenziele  zu  setzen  als  zu
 halteparolen rufen. Vor drei Jahren begann das Team damit, ein   Ende   2025   mit   einer
        große“, rät Kropp-Büttner. Mitunter müssen auch kleine Mei-
 neuartiges Fensterheizungssystem für Wohnhäuser zu entwi-    Sojus-Rakete   starten.
        lensteine  an  neue  Gegebenheiten  angepasst  werden:  „Vom
 ckeln. In diesem Jahr soll es auf den Markt kommen. „Ab und an   Der  Satellit  wird  dann
        Plan abzuweichen ist keine Schande.“ Zumal kleine Erfolgser-
 bekommt man einen Lagerkoller, Kraft und Ausdauer schwin-    nach Exoplaneten, also Planeten um andere Sterne, suchen. „Be-
        lebnisse immens helfen eine lange Wegstrecke durchzuhalten.
 den, zumal, wenn man ein Start-up zunächst nebenberuflich    gonnen haben die Vorbereitungen für die Mission schon vor dem
 anschiebt“,  berichtet  Mitgründerin  Wiebke  Kropp-Büttner.   Jahr 2007. Erst im Jahr 2014 konnte sich PLATO dann schließlich
        Ähnlich hält es auch Heike Rauer, die am Institut für Planeten-
 „Doch im Team baut man sich wieder auf und weitergeht’s.“   forschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt   gegen die Konkurrenz anderer Missionsideen durchsetzen und
        die  Abteilung  Extrasolare  Planeten  und  Atmosphären  leitet.   wurde  von  der  ESA  ausgewählt“,  berichtet  Rauer.  Wenn  alles
 Glücklicherweise. Denn die smarte Fensterheizung könnte den
        Die Professorin und ihr Team sind auf der Suche nach erdähn-  läuft wie geplant, wird PLATO in diesem Jahr den noch ausste-
 Markt  revolutionieren.  Statt  üblicher  Heizungsrohre  werden
        lichen Planeten. Das sind in der Regel lange „Missionen“, die   henden Schritt der „mission adoption“, also der endgültigen Be-
 Fenster  und  Glasflächen  zum  unsichtbaren  Flächenheizkör-
        ohne Durchhaltevermögen nicht zu schaffen sind. „Man muss   stätigung durch die ESA, schaffen. Erst dann kann mit dem Bau
 per.  Durch  eine  nanotechnologisch  aufgebrachte  Metalloxid-
        von dem Projekt und der zu Grunde liegenden wissenschaftli-  des Satelliten und des Instruments begonnen werden. Nach dem
 schicht,  die  unter  Strom  gesetzt  wird  und  so  flächig Wärme
        chen Idee überzeugt sein. Dann kann man sich immer wieder   Start im Jahr 2025 wird es dann eine Betriebsphase von vier Jah-
 erzeugt, sind Fenster nicht mehr jene Stellen am Haus, durch
        daran erinnern, worum es geht, und sich auf die wissenschaft-  ren geben, die noch um bis zu vier weitere Jahre verlängert wer-
 die Energie entweicht. Kropp-Büttner spricht von einem hohen
        lichen Daten und Ergebnisse freuen, mit denen die Arbeit am   den könnte. Damit sind die wissenschaftlichen Auswertungen
 Wirkungsgrad und bis zu 85 Prozent niedrigeren Investitions-
        Ende  belohnt  wird“,  beschreibt  Rauer,  was  sie  antreibt. „Die   aber noch längst nicht abgeschlossen.
 kosten gegenüber einer Wärmepumpe. Das Beste daran: „Die
        Projekte erstrecken sich immer über viele Jahre. Ohne Geduld
 Wärme  kann  mit  Strom  aus  regenerativen  Quellen  komplett   „Schwierig sind die Anfangsphasen in einem solch lang andau-
        aller Beteiligten lässt sich das nicht machen.“
 CO 2 -frei erzeugt werden“, sagt die Gründerin. Doch die Poli-  ernden Projekt, in denen nicht klar ist, ob all die großen An-
 tik sieht das derzeit anders, weswegen die innovative Technik   Eine wirkliche Geduldsprobe ist für sie immer wieder die lange   strengungen auch zu einem Ziel führen“, sagt Rauer. „Wichtig
 als Stromheizung mit einem höheren Primärenergiefaktor als   Zeitspanne, ehe aus einer Idee eine Satellitenmission wird, die   ist es daher, in einem guten Team zu arbeiten, das sich immer
 bei  fossilen  Energieträgern  eingestuft  wird.  Hier  müssen  die     schließlich  Daten  liefert.  Etwa  die  PLATO-Mission  der  Euro-   wieder gegenseitig motiviert.“
 Andreas Häger und Wiebke Kropp-Büttner wollen mit ihrem smarten
 Fensterheizsystem den Markt revolutionieren
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