Page 9 - Adlershof Journal Juli/August 2014
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TITELTHEMA

Eine neue Sprache

Wie der Humor im Technologiepark Adlershof Einzug hält

Kein Zweifel: Als einer der erfolgreichsten Hochtechnologiestandorte ist Adlershof ernst zu nehmen. Viel lockerer ist dagegen der Ton, der hier herrscht. Peter Strunk, Kommunikationschef der WISTAMANAGEMENT GMBH erzählt, wie der Humor in Adlershof Einzug hält.

Humor und Wissenschaft, so scheint es, pflegen in Deutschland noch keinen so selbstverständlichen Umgang wie in den USA. Dabei hat sich auch hierzulande die Erkenntnis durchgesetzt, dass Humor motiviert und Identität stiftet. Humor setzt allerdings auch voraus, dass man sich selbst nicht so ernst nimmt. Er kann also mit der wissenschaftlichen Objektivität kollidieren. Daher sind Wissenschaftler bemüht, jedwede Form des Ausdrucks von Emotionalität zu vermeiden.

„Genauigkeit“, „Präzision“ und „Ernsthaftigkeit“

Wir, die Betreibergesellschaften der Wissenschaftsstadt Adlershof, waren uns bisher einig darin, dass die Kardinaltugenden dieses von den Naturwissenschaften geprägten Ortes am besten mit Begriffen wie „Genauigkeit“, „Präzision“ und „Ernsthaftigkeit“ beschrieben sind. Allerdings, so unsere feste Überzeugung, soll Adlershof auch ein Ort des Wohlfühlens, ja der Lebensfreude sein. Jedoch auch hier sprachen wir mit dem gebotenen Ernst von „weichen Standortfaktoren“ oder von einer „Vorteilsumgebung“.

Alles bunt

Allmählich jedoch reifte in uns die Erkenntnis, dass sich daran etwas ändern sollte. Wir haben 2013 gemeinsam mit unseren Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft ein neues Leitbild erarbeitet und treten mit neuem Slogan („Adlershof. Science at Work“) auf. Wir haben unseren optischen Auftritt aufgefrischt. Statt gedeckter Blau- und Grautöne dominiert nunmehr ein buntes Spektrum. Als wir an einem grauen Novembertag vorigen Jahres eine unserer neuen Flaggen in grellem Pink aufzogen, folgte kein Aufschrei des Entsetzens, sondern nur die knappe Bemerkung: „Wurde mal Zeit.“

Im Dschungel der Wahlplakate

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir längst den Humor für uns entdeckt. Am 1. September 2013, anlässlich des „Kanzlerduells“ in den Adlershofer Fernsehstudios hatten wir uns mit eigener Agenda in den Dschungel der Wahlplakate hineingeschmuggelt – deutlich sichtbar mit Sprüchen wie: „Im Kanzleramt hat nur einer Platz. Bei uns ist noch was frei.“ Das fiel den Medien nicht nur auf, das gefiel ihnen auch.

„Zur Energiewende hier rum“

Das war nur der Anfang. Zu unserem Erstaunen kam vor allem aus den wissenschaftlichen Instituten die Anregung, mit Humor und Witz auf Adlershof aufmerksam zu machen. Die Kollegen von der Initiativgemeinschaft der außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Adlershof (IGAFA) und der Humboldt-Universität zu Berlin luden unter dem Slogan „Stimmt die Chemie mit den Physikern“ zum 1. Adlershofer Forschungsforum ein. Mit Sprüchen wie „Zur Energiewende hier rum“ machten wir auf unser neues Zentrum für Photovoltaik und Erneuerbare Energien (ZPV) aufmerksam.

Allmählich hielt bei uns am Standort eine neue Sprache Einzug: „Jugend forscht“ fragte „Chillen die Bazillen auch in der Waschmaschine?“ Zur Messe „Laser Optics Berlin“ luden wir mit einem „Aggregatzustand Staunen.“ Die Journalisten der Jahrespressekonferenz begrüßten wir mit der Schlagzeile: „2020 schreiben wir ein dickes Minus.“ Und meinten damit den Verbrauch von Primärenergie.

„Am Arsch. Leider.“

Witz und Wissenschaft schließen einander nicht aus. Witz und Fantasie auch nicht. Kaum hatten wir unseren Slogan in mannshohen Lettern weithin sichtbar am S-Bahnhof Adlershof aufgestellt, machten kluge Köpfe in einem Akt kreativen Vandalismus aus „Adlershof. Science at Work.“ ein „Am Arsch. Leider.“ und sorgten damit für bundesweite Aufmerksamkeit.

Sprachliche Balance halten

Wir haben den Humor also für uns entdeckt. Und es sind immer wieder die Wissenschaftler, die uns beflügeln, weiterzumachen. So einfach ist das aber nicht. Mit saloppen Sprüchen gleitet man nämlich schnell ins Alberne oder Banale ab. Da spätestens hört der Spaß auf! Es kommt darauf an, die sprachliche Balance zu halten und die Kunden, für die man werben will, nicht zu irritieren oder gar vor den Kopf zu stoßen. Professionelle Texter beherrschen diese Kunst, doch ohne ein genaues und ernsthaftes Briefing geht gar nichts.

Damit sind wir aber keineswegs wieder beim deutschen Ernst angekommen. Wenn wir die sprachliche Balance weiterhin halten, könnte es uns Adlershofern gelingen, mit einem nicht nur in Deutschland außergewöhnlichen Alleinstellungsmerkmal aufzuwarten. Und das im Ernst!

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