Page 6 - Adlershof Journal Juli/August 2014
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TITELTHEMA

Wissenschaft mit Witz

Ein Blick durch die angelsächsische Brille

Deutsche und Humor, Wissenschaft und Witz – Dinge, die sich ausschließen? Wie sehen andere uns? Darf seriöse Forschung auch mit Leichtigkeit vermittelt werden? Warum werden Amerikaner und Engländer witziger als Deutsche wahrgenommen? Wir haben bei ihnen nachgefragt und erstaunliche Antworten erhalten. Unser Mitarbeiter Chris Löwer hat sie protokolliert.

 

Ted Masselink, Professor für Experimentelle Physik an der Humboldt-Universität zu Berlin, geboren in Fargo, North Dakota

Eigentlich wundert es mich nicht, dass sich auf der Liste der kürzesten Bücher der Welt auch eines über deutschen Humor wiederfindet. Deutsche sind einfach nicht so richtig für ihren Humor bekannt. Typisch für deutschen Witz ist das Kabarett, was ich aber nicht so mag, weil es oft albern ist, sarkastisch oder vor Insider-Jokes strotzt. Amerikaner und Engländer finde ich zwar witziger, aber man muss sagen, dass sich durch die globale Unterhaltungsindustrie der Humor immer weiter angleicht: Überall auf der Welt wird über die gleichen Sitcoms, Comedys und YouTube-Videos gelacht. Das ebnet etwaige Unterschiede ein.

Eine Sonderrolle spielen Wissenschaftler, deren Scherze oft auf ihre eigenen Kosten gehen. Wie etwa der: Bei seinem ersten Date mit einer Frau erzählt ein Physiker die ganze Zeit über sich und seine Arbeit. Irgendwann merkt er das endlich und sagt: ‚So, jetzt habe ich genug über mich geredet. Lass‘ uns über dich sprechen. Was hältst Du eigentlich von meinen letzten Publikationen?‘ Dieser selbstironische und entspannte Wissenschaftlerwitz findet sich bei Amerikanern wie bei Deutschen. Das hilft auch, wenn schwierige Inhalte vermittelt werden sollen. Etwa in Vorlesungen. Humor macht vieles eingängiger und sorgt dafür, dass Studenten eher involviert sind – und nur so lernen sie gut.

Ich selber habe, so wird mir gesagt, einen trockenen Humor. Das führt allerdings dazu, dass meine Scherze oft ernst genommen werden, was zu ziemlichen Missverständnissen führen kann.

 

Anton J. Nagy, Geschäftsführer ILS-Integrated Lab Solutions GmbH, geboren in Chicago

Deutscher Humor ist eher verkopft und weniger sarkastisch. Manchmal bemerke ich erst mit einer Zeitverzögerung von 10 bis 30 Sekunden – je nachdem, wie viel Weißbier ich getrunken habe –, dass ein Deutscher einen Witz gemacht hat. Amerikanischer Humor ist oberflächlicher und geht gern auch mal auf Kosten anderer.

Generell hat, wie mir scheint, Humor für Deutsche in der Wissenschaft nicht gerade einen festen Platz. Das zeigt allein schon die außerordentlich hohe Zahl an akademischen Titeln, mit denen Namen geschmückt werden: Ein Prof. Dr. rer. nat. habil. ist nicht ungewöhnlich, egal, wie sperrig das den Namen macht. Aber es wird darauf bestanden! Unvorteilhafterweise finde ich, dass deutsche Forscher, vor allem aus der Industrie, zuweilen eine sehr ernste Arbeitseinstellung haben. Dabei wäre etwas mehr Humor und Leichtigkeit für alle Beteiligten deutlich angenehmer. Das ist übrigens auch der Grund, warum ich die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus Großbritannien liebe. Denn es ist hilfreich, komplexe wissenschaftliche Inhalte mit Witz zu präsentieren. Sich in einem dunklen Raum PowerPoint-Präsentationen anzusehen kann manchmal mühsam sein – unabhängig davon, wie brillant sie sind. Da ist es schon nützlich, wenn jemand die Folien mit feinem Humor präsentiert – das hilft ungemein, aufmerksam zu bleiben und hält einem vor Augen, dass bei aller Ernsthaftigkeit Wissenschaft Spaß macht.

Wie es läuft, bringt gut ein Spruch auf den Punkt, den ich während meiner fünfjährigen Arbeit in den Niederlanden aufgeschnappt habe. Er geht so: „Meten is Weten … en Pizza eten”. Das heißt so viel wie: „Messen ist Wissen ... und Pizza essen.“ Das trifft den Forscheralltag ganz gut: Es geht darum, erst etwas zu wissen, wenn man es (möglichst mehrmals) gemessen hat. Das wiederum ist mit langen Stunden im Labor verbunden … während man sich oft genug spätabends schlechte Pizza an den Arbeitsplatz liefern lässt.

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