Page 7 - Adlershof Journal Mai/Juni 2018
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TITELTHEMA








 Die Biotechnologie in Deutschland
 erlebt derzeit einen Aufschwung.
 Allein 70 Biotechnologiefirmen mit
 über 800 Mitarbeitern haben ihren Sitz
 im Wissenschafts- und Technologiepark
 Adlershof. Die Kompetenzen reichen
 von der Grundlagenforschung bis zu                           Biopract-Chef Matthias Gerhardt
 fertigen Produkten und Technologien.







 Von Algenteppich





 bis Zuckerimpfstoff








 Heidrun Terytze, Leiterin des Adlershofer Zentrums für Biotech-
         Rocco Weise von der JPT Peptide Technologies homogensiert Peptide für die    Claney Pereira und eine Mitarbeiterin von der Vaxxilon GmbH entwickeln
 nologie und Umwelt, erklärt: „Die weiße Biotechnologie steht für   Immuntherapieentwicklung  Impfstoffe auf Zuckerbasis
 die Industrie, die rote für die Medizin und die grüne für die Land-
 wirtschaft. Wir  haben  hier Vertreter  aus  allen  Gebieten.  Daraus
 ergeben sich einzigartige Möglichkeiten interdisziplinärer Koope-  Die  Adlershofer  arbeiten  derzeit  mit  mehreren  Partnern  und   Die  Firma  Solaga  steht  wiederum  als  ganz  junges  Adlershofer
 ration.“  Kunden daran, die Möglichkeiten von Peptiden in verschiede-  Unternehmen für grüne Biotechnologie. Gründer und Geschäfts-
         nen personalisierten Immuntherapieansätzen zu untersuchen.   führer Benjamin Herzog erzählt: „Wir entwickeln derzeit Geräte
 Die  Entwicklung  neuer  Medikamente  und  Diagnostikverfahren
         Neben  Peptidvakzinierungen  werden  Zell-basierte  Verfahren,   mit Algenteppichen darin. Diese können die Luft in geschlossenen
 ist  ohne  Biotechnologie  gar  nicht  mehr  denkbar.  Beispiele  sind
         wie der adoptive Zelltransfer und die Verwendung sogenannter   Räumen, aber auch in ganzen Städten recyceln. Die Algen filtern
 die JPT Peptide Technologies, Vaxxilon Deutschland und diamond
         Peptid-gepulster dentritischer Zellen evaluiert. Geschäftsfüh-  Stickstoffdioxid,  Kohlendioxide,  Feinstaub  und  Schwefeldioxid
 inventics. Sie gehören zur roten Biotechnologie. diamond inven-
         rer Holger Wenschuh: „Den individualisierten Therapiekonzepten   aus  der  Luft. Verbrauchte  Büroluft  kann  bereits  von  Glaskästen
 tics hat ein „Labor im Scheckkartenformat“ entwickelt. Mit dem
         ist gemein, daß sie alle JPTs maßgeschneiderte Peptidpreparatio-  so groß wie ein normales Bild gereinigt werden. Auf den Straßen
 Chipsystem können krankmachende Mikroorganismen in Wasser-
         nen für die Entwicklung der Behandlungskonzepte und das Moni-  könnten es ganze Häuserwände sein, die dann zum Beispiel die
 proben direkt vor Ort in Echtzeit nachgewiesen werden. Vaxxilon
         toring des Therapieerfolges benötigen. Wir arbeiten hier mit den   Belastung von Dieselfahrzeugen ausgleichen.
 forscht an einem ganz süßen Schutz vor Erregern: Das Unterneh-
         führenden Pharma- und Biotechfirmen weltweit zusammen und
 men  entwickelt  Impfstoffe  auf  Zuckerbasis.  Tom  Monroe,  CEO   Aber Herzog und sein Geschäftspartner Bauerfeind tüfteln noch
         planen die Errichtung eines eigenen Gebäudes in Adlershof.“
 der  Vaxxilon  AG:  „Wir  machen  derzeit  weitere  Fortschritte  auf   an viel größeren Projekten. Algen könnten alternative Energielie-
 dem  Weg  der  Entwicklung  halb-  und  vollsynthetischer  Kohlen-   Für die weiße Biotechnologie stehen stellvertretend in Adlershof   feranten werden. Sie geben organische Stoffe ab, aus denen Bio-
 hydratimpfstoffe.“  Das  ist  wichtig,  denn  entscheidend  sind  be-  die  Biopract  GmbH  und  die  Versuchsanstalt  der  Hefeindustrie.   gas gewonnen werden kann. Das Gas ist brennbar und kann zum
 stimmte Teile der bakteriellen Zellhülle, die aus Kohlenhydraten,   Bei Letzterer verrät schon der Name das Programm: Hier wird der   Heizen genutzt werden. Auf diese Weise könnten ganze Wohn-
 hauptsächlich Zuckern, bestehen. Wenn diese Kohlenhydrate dann   Treibstoff des Bäckerhandwerks ständig analysiert und optimiert.   siedlungen  in  Multimodulen  ihre  Energie  selbst  erzeugen.  Der
 künstlich  hergestellt  werden  können,  muss  man  keine  Erreger   Geschäftsführer Michael Quantz: „Gerade haben wir ein Projekt   riesige Vorteil gegenüber Solarenergie: Gas ist besser speicherbar
 mehr züchten, um die Stoffe aus deren Zellhülle zu isolieren.   abgeschlossen. Heraus kam, dass auch auf Basis von Ethanol der   als Strom.
         Hefefermentationsprozess  gesteuert  werden  kann.  Das  bringt
 Die  Wirkung  fertig  entwickelter  Impfstoffe  wird  von  Firma  JPT    gegenüber  etablierten  Modellen  zur  Backhefeproduktion  mehr   Mikroorganismen  als  molekulare  Kraftwerke  zu  nutzen  ist  eine
 Peptide Technologies getestet. Das Unternehmen ist spezialisiert   Prozessstabilität und Zeitersparnis.“  so gute Idee, weil auf den Feldern keine Monokulturen angebaut
 auf Peptide. Diese Bruchstücke von Proteinen, die sich aus Amino-   und zur Energiegewinnung aufwendig vergoren oder chemisch
 säuren  künstlich  herstellen  lassen,  helfen  –  auf  einem  Biochip    Enzyme heißt das Zauberwort bei Biopract. „Wir helfen, tierische   umgewandelt werden müssen. Außerdem kann das Biogas direkt
         landwirtschaftliche Produkte und deren Ökobilanz zu verbessern.   beim  Verbraucher  gewonnen  und  gespeichert  werden,  so  dass
 zusammengefasst – bei der Analyse der Wirkstoffe.
         Mit unserer Neugründung Biopract ABT GmbH beliefern wir die   kein energieintensiver Transport notwendig ist.   kr
         landwirtschaftliche  Biogasproduktion  mit  enzymbasierten  Pro-
         zessbeschleunigern und tragen dazu bei, die Kostenbilanz erneu-
         erbarer  Energien  zu  verbessern“,  so  der  Biopract-Chef  Matthias
 Die Solaga-Gründer: Benjamin Herzog (l.)
 und Johann Bauerfeind  Gerhardt.
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