Page 9 - Adlershof Journal Mai/Juni 2018
P. 9

UNTERNEHMEN






 Erst durchhalten,




 dann hochschalten








 Die Zulassung von Medizintechnikprodukten ist langwierig.
 Es kann gerade für Gründer existenzbedrohend werden.
 Wie bewältigen Adlershofer Unternehmen diese Durststrecke?



               Smarte OP-Handschuhe entwickelt das Team von Smarterials Technology



 Keime  im  Krankenhaus  werden  zu  einem  ernsten  Problem.    den Arzt“, verdeutlicht Bergen. „Die Zulassung ist langwierig, aber
 Besonders in der Chirurgie steigen die Fälle von Kreuzinfektionen,   planbar“, sagt sie. Einschränkung: Rückmeldungen der Behörden
 vornehmlich mit Hepatitis, Erregern der Creutzfeldt-Jakob-Krank-  dauern  nicht  nur: „Sie  antworten,  wenn  sie  antworten,  so  dass
 heit, HIV oder gar mit multiresistenten Staphylokokken (MRSA).   man leider nicht planen kann“, bedauert Bergen. Das ist ein In-
 „Das  betrifft  natürlich  auch  die  verwendeten  Instrumente,  die   novationshindernis, insbesondere für kleine und mittelständische
 von  gewissen  Erregern  nicht  garantiert  vollständig  desinfiziert   Unternehmen, die Medizinprodukte zulassen wollen.
 werden können“, sagt Clemens Frania, Geschäftsführer der Si Us
 Instruments GmbH. Seine naheliegende Geschäftsidee: Steril im   Etwas  mehr  Verbindlichkeit  und  Planungssicherheit  könnte
 Reinraum  verpackte  chirurgische  Einmalinstrumente  aus  Stahl    auch  die  im  Oktober  2016  gegründete  Firma  Smarterials Tech-  Inga Bergen vom Start-up magnosco am Gerät zur Hautkrebsdiagnostik
 sowie  komplette  OP-Sets  herstellen.  „Dem  Problem  von  Infek-   nology  gebrauchen.  Die  Gründer  haben  stichverletzungssichere
 tionen  kann  durch  noch  nie  kontaminiertes  Instrumentarium,    OP-Handschuhe entwickelt, die sie im vierten Quartal nächsten
 das  nach  dem  Gebrauch  entsorgt  wird,  abgeholfen  werden“,    Jahres auf den Markt bringen möchten: „Mehrlagige chirurgische   der IBB) und private Investoren finanziert“, sagt Bothe. Förderlich
 erklärt  Frania.  Das  Lieferprogramm  seiner  2013  gegründeten    Handschuhe ersetzen das Double Gloving, das Tragen von zwei   ist auch, dass das Start-up auf bestehende Dokumentationen und
 Firma umfasst rund 8.000 verschiedene Produkte.  Paar Handschuhen übereinander“, erklärt Geschäftsführer Martin   die Produktion bei zertifizierten Herstellern zurückgreifen kann,
        Bothe. „Dabei geht es um Infektionsprävention und Perforations-  was die Zulassungsdauer verkürzt.
 Doch nur durch Geschick gelang es Frania, seine ebenso einzigarti-  indikation.“  Denn  trotz  aller Vorkehrungen  werden  in  Deutsch-
 ge wie einleuchtende Idee zum Erfolg zu führen: „Die Zulassung ist   land bei Ärzten eine halbe Million Nadelstichverletzungen jähr-  Unter  anderem  stehen  Shelf-Life-Tests  an,  durch  die  die  Hand-
 ein extrem langer und schwieriger Prozess, der mittlerweile vielen   lich  gezählt.  Eine  verbesserte  mechanische  Festigkeit  schützt   schuhe  eine  dreijährige  Lagerzeit  unter  Beweis  stellen  müssen.
 Start-ups die Existenzgrundlage entziehen dürfte“, sagt Frania. Er   vor  kleinsten  Durchlöcherungen  der  Handschuhe,  die  Arzt  und   Ständige Begleiter über die Zulassung hinaus sind ein umfassen-
 hatte noch Glück: Nach einem guten Jahr war die Sache erledigt.   Patient vor Infektionen bewahren. „Wir entwickeln in Adlershof   des Qualitätsmanagement sowie eine umfangreiche technische
 Heute  müssen  Medizintechnikhersteller  aufgrund  verschärfter   die Technologie, um solche mehrlagigen Handschuhe in Zukunft   Dokumentation, in deren Rahmen die erforderlichen Materialtests
 Bestimmungen mit zwei oder gar drei Jahren rechnen. Wer nicht   auf bestehenden Produktionslinien fertigen zu können“, berich-  durchgeführt werden, berichtet Bothe. Frania weiß ein Lied davon
 mit Krediten und Fördergeldern ausgestattet ist, dem kann schnell   tet Bothe. Wie lange es dauern wird, bis das innovative Produkt   zu singen: Weit über 100.000 Euro bringt die Firma jährlich auf,
 die Insolvenz drohen. Frania überbrückte die Durststrecke, indem    seine Zulassung bekommt, kann er noch nicht sagen. Hilfreich auf   um die Marktzulassung sämtlicher Medizinprodukte aufrechtzu-
 er  sich  einen  zertifizierten  Partner  suchte,  der  als  Hersteller    diesem Weg ist jedenfalls ein ausreichendes finanzielles Polster:   erhalten, worum sich allein drei Qualitätsmanager kümmern, die
 agierte, und die Adlershofer Firma anfangs nur den Vertrieb über-  „Unsere Firma ist aktuell durch öffentliche Förderungen (ProFIT   sich wiederum fortlaufend schulen müssen.   cl
 nahm. Mittlerweile stellt Si Us Instruments für die Bundeswehr
 und ca. 150 Kliniken her.

 Großes  Glück  in  Sachen  Fremdfinanzierung  hatte  das  Start-up
 magnosco.  „Für  Unternehmen  wie  uns  ist  es  wichtig,  Investo-                                       ANZEIGE
 ren  mit  einem  Verständnis  für  die  Medizinproduktentwicklung
 und  langem  Atem  zu  finden“,  sagt  Mitgeschäftsführerin  Inga
 Bergen mit Blick auf die Geldgeber der 2014 gegründeten Firma.
 magnosco hat mit dem „DermaFC“ ein Gerät zur Erkennung von
 schwarzem Hautkrebs entwickelt, das Medizinern gegen Gebühr
 zur Verfügung gestellt wird. Eine Art „digitale Zweitmeinung für
 Clevere Geschäftsidee: Clemens Frania stellt medizinische Einmalinstrumente her



 8  Adlershof Journal  |  Mai_Juni 2018                                               Adlershof Journal  |  Mai_Juni 2018  9
   4   5   6   7   8   9   10   11   12   13   14