Page 14 - Adlershof Journal September/Oktober 2018

MEDIEN
Begeisterter
HELDENREISEN
In der Berliner Sophienstraße, genau in der Mitte der Stadt, steht das Tor zu einer ande-
ren Welt. Zu unendlich vielen anderen Welten, um präzise zu sein. Ein Edelstahlrahmen,
mannshoch auf Sperrholzpodest, ein Ventilator davor und ein Duftgenerator an der Wand.
Doch was so spartanisch aussieht, wird im Handumdrehen eine Südseeinsel, Alices
Wunderland oder der Lieblingsfilm des Besuchers. Virtuelle Welten, die man riechen,
fühlen, hören, tasten kann. In Adlershof grübeln Cyril Tuschi und Hubert Hoffmann von
You-VR an immer neuen Storywelten und der dazu notwendigen Soft- und Hardware.
14 Adlershof Journal | Sept_Okt 2018
Als der Internet-Konzern Facebook 2014 die Firma Oculus Rift Tuschis eigene Initialzündung kam mit einem Aufenthalt am
kaufte, die eine VR-Brille mit besonders großem Sichtfeld und Goethe-Institut in Hongkong. „Die sind viel weiter als wir“, er-
besonders schnellen Bewegungssensoren entwickelt hatte, be- innert er sich. Auf einer anschließenden Chinareise habe er „viel
gründete Mark Zuckerberg das mit der Aussage, VR – Virtual gesehen“. „Alles, was ich in der Phantasie toll fand, scheint heute
Reality – sei die sozialste aller Plattformen. Dennoch, moniert technisch möglich.“ Seit drei Jahren arbeiten Tuschi und sein Kom-
die Branchenwebseite VR-Focus, blieben die meisten heutigen pagnon nun an ihrer Idee, erst in Babelsberg, seit kurzem in Ad-
Social-Virtual-Reality-Angebote noch immer eine ziemlich einsa- lershof. „Hier sind die Synergien, ein richtiger VR-Hub“, sagt Tuschi.
me Erfahrung. „90 Prozent der Leute, die VR erleben, erleben sie
Mit seiner Firma You-VR konzentriert sich Tuschis Team auf die
allein“, erklärt Tuschi. Social VR bedeutet aber gemeinsames
Entwicklung von sogenannten Multi-Player-VR-Systemen, die ent-
Erleben. Eine Menge Geld sei nach der Facebook-Investition da-
weder im Geschäft oder für die Unterhaltung eingesetzt werden
mals in VR geflossen, erinnert er sich. Allerdings nur in die Tech-
können. Unter dem Label Vonderland entwickelt das Unterneh-
nik – die Brillen. Das geflügelte Wort vom „König Content“ (Inhalt)
men eigene multisensorische und Multi-Player-VR-Maschinen und
war noch nicht geprägt. Aber Geschichten im virtuellen Raum
-Inhalte.
müsse man nun einmal anders erzählen, sie müssen eine „eigene
Grammatik des Erzählers entwickeln“. In den Vonderland-Dreamdecks folgen Sensoren den Augen- und
Handbewegungen des Nutzers, ein Duftgenerator erzeugt die Ge-
Cyril Tuschi ist ein Erzähler. Farbenfroh, lebhaft, begeistert. Erst als
rüche, Wind und Temperatur werden entsprechend der Geschichte
Dramaturg am Theater, später beim Film. Regisseur sei er „wider
reguliert, hydraulische Böden und bewegliche Wände schwan-
besseren Wissens“ geworden – „eine brotlose Kunst, besonders
ken, knarren oder beben, wann immer erforderlich. „Vonderland
der Dokumentarfilm.“ Sein bekanntester ist wohl „Der Fall Chodo-
wird die besten Film- und Games-Inhalte mit VR- und Augmented
rkowski“ über den in Ungnade gefallenen russischen Ölmagna-
Reality-Storywelten über alle Medienplattformen hinweg ver-
ten, der auf der Berlinale 2011 seine Weltpremiere feierte und da-
schmelzen und Filme und Animationen zu interaktiven Aben-
vor unter seltsamen Umständen zweimal kurz vor Fertigstellung
teuern für die ganze Familie übersetzen“, sagt Tuschi.
verschwand. Eine unruhige Zeit.
Ein gemeinsames Erlebnis mit Freunden, „eine Heldenreise wie im
Die Verlockungen der virtuellen Realität, das gibt auch Cyril Tuschi
Herr der Ringe. Freunde, die gemeinsam Aufgaben lösen. Das hat
zu, verstehe man nur, wenn man einmal eingetaucht ist. „Man
viel mit Reisen oder Expedition zu tun.“
muss drin sein, es probieren, sonst versteht man die Faszination
nicht.“ Er selbst habe nach dem ersten VR-Erlebnis „vor Freude ge- Als eine Art Heldenreise empfindet Tuschi auch die eigene Ent-
zittert wie ein Kind. Es ist toll, wenn sich die virtuelle Welt über die wicklung vom Erzähler und Regisseur zum Unternehmer. „Investo-
reale legt, eine starke Erfahrung.“ ren brauchen Auskünfte zum Return of Investment oder Proof of
Concept, da weht ein harter Wind. Das ist spannend, aber es geht
alles nicht so schnell wie gedacht.“ rb
ANZEIGE
VR-Unternehmer: Cyril Tuschi
www.btb-berlin.de
Planen auch Sie Ihr Projekt mit der BTB
oder werden Sie Wärme-/ Stromkunde!
Wir beraten Sie gerne – 030 34 99 07 61
Adlershof Journal | Sept_Okt 2018 15