Page 5 - Adlershof Journal März/April 2018
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INTERVIEW Name: Mara Oßwald MENSCHEN
Beruf: Physikerin
Jahrgang: 1989
Im Gespräch mit Wohnort: Berlin-Lichtenberg Die Gebäudefachfrau
Mara Oßwald
Jennifer Grabsch betreut Immobilien in Adlershof
Begeisterte Physikerin, Schwarzgürtel-Kampfsportlerin und
Trainerin, engagierte Verfechterin von Chancengleichheit
und demnächst auch Mutter – Mara Oßwald zählt zweifellos Die erstaunten Blicke, die irritierten
zu den Powerfrauen. Ihr Tag scheint mehr als 24 Stunden Nachfragen, sie kennt das aus ihrer Zeit
zu haben. Was die 28-jährige Doktorandin am Max-Born- an der Hochschule: „Man musste immer
Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie, wieder rechtfertigen, was man studiert.“
die zur DNA-Reparatur nach UV-Schädigung forscht, in ihrer Facility Management – nur ein anderes,
Freizeit momentan besonders umtreibt, ist die Konferenz ein etwas netteres Wort für einen Haus-
„I, Scientist“ am 25. und 26. Mai in Adlershof. Dort geht es meisterjob?
um Gender, Karrierewege und Netzwerken in Naturwissen-
schaft und Mathematik. Warum es in Zeiten von Frauen- Wer Jennifer Grabsch über die Anforde-
quote und unzähligen Frauenförderprogrammen wichtiger rungen ihres Berufsalltags reden hört,
denn je ist, Hindernisse und Vorurteile bezüglich Frauen wird einen solchen Verdacht schnell los.
Gefragt ist kaufmännischer ebenso wie
und Gleichstellung abzubauen, erzählt sie im Interview.
technischer und naturwissenschaftlicher
Sachverstand. Kenntnisse in Bau- und Ver-
Was bedeutet Karriere für Sie?
gaberecht sind von Nutzen. Die Fähigkeit,
Ziele zu erreichen, die ich mir selbst gesteckt habe, dabei meine
Kalkulationen und Angebote beauftragter
Potenziale auszunutzen und sowohl finanzielle als auch persön-
Drittfirmen zu bewerten, ist unerlässlich.
liche Zufriedenheit zu erlangen.
In den vergangenen drei Jahren an der
Gender bestimmt die öffentliche Diskussion. Braucht es eine Hochschule für Technik und Wirtschaft
weitere Konferenz dafür? Der „Kampf“ um gleiche Chancen ist Mara Oßwald wichtig beim Jiu-Jitsu genauso (HTW) in Berlin-Schöneweide hat die
Unsere Generation hat das Gefühl, die Geschlechtergleichstellung wie auf der Konferenz „I, Scientist“ gebürtige Kaulsdorferin physikalischen,
ist erreicht. Es gibt viele Frauenförderprogramme. Die sind wichtig, chemischen, mathematischen Lernstoff
aber die Kommunikation dazu stimmt nicht. Das Bild darf nicht Was wollten Sie als Kind werden? gebüffelt und nebenbei Erfahrungen ge-
sein: Wir müssen Frauen fördern. Es muss stattdessen heißen: Es sammelt mit unterschiedlichen Aspekten
Ich war nie ein Puppenkind. Schon als Dreijährige habe ich lieber Eisern verbunden mit dem 1. FC Union als Kickerin und Fan: Jennifer Grabsch
soll gleiche Chancen für alle geben. der Gebäudebewirtschaftung.
im Dreck gespielt und Dinge gebaut. Ich wollte früh wissen, wie
Das heißt, die Konferenz „I, Scientist“ ist offen für alle? die Welt um mich herum funktioniert, habe aber erst im Abitur Sie hat Schichtdienst geschoben bei einer Es ist die zweite Karriere der heute 30- auch den Stoff für ihre Bachelorarbeit.
Ja, denn Gleichstellung ist ein gesellschaftliches Problem, kein gemerkt, dass überall Physik drinsteckt. Meine damalige Physik- Firma, die Aufzüge und Rolltreppen – Jährigen, die nach dem Abitur zunächst Thema: „Optimierungsmöglichkeiten
Frauenproblem. lehrerin hatte da entscheidenden Anteil, sonst hätte ich wohl
Kunst oder Psychologie studiert. eigentlich heißen sie „Fahrtreppen“ – in eine Ausbildung zur Rechtsanwalts- und beim Betreiben von Laborgebäuden“. Ein
Warum entscheidet sich ein Großteil der Wissenschaftlerinnen Wohn- und Geschäftshäusern wartet, Notarfachangestellten absolviert hatte, 100-Seiten-Werk, verfasst in gut zwei Mo-
trotz hervorragender Ausbildung für die Familie statt für eine Was machen Sie in Ihrer Freizeit? auch ab und zu Eingeschlossene aus sich nach fünf Jahren als Sachbearbeite- naten: „Ich habe viele Wochenenden auch
Karriere? Ich trainiere seit meinem achten Lebensjahr Jiu-Jitsu, habe den dem Lift gerettet. Sie war in einem Pla- rin und Assistentin eines Firmenjustiziars hier verbracht.“
Es gibt leider noch viele strukturelle und soziale Hindernisse, die schwarzen Gürtel und unterrichte Klein und Groß. Mein zweites nungsbüro für technische Gebäudeaus- indes in einer beruflichen Sackgasse sah:
eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschweren. Außerdem Steckenpferd ist die Kunst. Ich zeichne und male sehr gern. Leider rüstung beschäftigt, lernte in einem an- „Ich hatte da keine Möglichkeit, mich Da kam etwa die Leidenschaft für den
erlebe ich, dass wir Frauen uns oft selbst blockieren. Karriere ist hole ich die Malsachen oft nur noch raus, wenn ich Geburtstags- deren Unternehmen die Feinheiten des zu verbessern.“ So rang sie sich dazu Fußball notgedrungen zu kurz. Grabsch
nicht tief verankert in unseren Köpfen. Es fehlt an weiblichen geschenke anfertige. Baumanagements kennen von der Aus- durch, die Festanstellung aufzugeben: „Ich ist Mitglied und Dauerkarteninhaberin
Rollenvorbildern, um junge Menschen zu inspirieren. Das wollen Wann haben Sie zuletzt etwas Neues gemacht? schreibung bis zur Abnahme. Sie kann wusste, dass meine Stärken im Organi- des 1. FC Union, spielt als eine von drei
wir mit der Konferenz ändern. mittlerweile vergleichen. Seit August sieren und Koordinieren liegen.“ So viel Frauen in der Mannschaft ihres Fanclubs.
Da sich Nachwuchs ankündigt, beschäftige ich mich mit dem
Wer ist „wir“? Mutterwerden. Jetzt haben mein Freund und ich als erstes Baby- 2017 arbeitet sie als Werkstudentin bei zur Studienwahl. Nicht mehr als eine schöne Erinnerung
Jetzt sind das zehn Nachwuchswissenschaftlerinnen verschiede- accessoire einen Wickelaufsatz gekauft, und schon merkt man, der AFM Adlershof Facility Management war bis auf Weiteres auch der fernöst-
ner Institute und Universitäten. Zu sechst haben wir die Lise-Meitner- wie die Wohnung sich verändert. GmbH, die zahlreiche Immobilien am Wie viele Frauen sind unter den mittler- liche Kampfsport Tae Bo. Bleibt der
Schrebergarten in Köpenick. Da beginnt
weile 83 AFM-Beschäftigten? „Ich bin
Gesellschaft e. V. als Trägerverein gegründet. „I, Scientist 2018“ ist Wie lange gehen Sie in Elternzeit? Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort
unsere zweite Konferenz. Neben Workshops, einem Women-in- betreut. So ein Technologiepark sei eine im technischen Bereich die einzige.“ In ja demnächst die Frühjahrsbestellung.
Nach dem Mutterschutz fünf Monate. Danach übernimmt mein Adlershof, das ein Kollege ihr mit dem wid
Science-Slam, Plenarvorträgen und einer Podiumsdiskussion Freund für sechs Monate. Herausforderung, meint sie. Sie weiß das
gibt es auch ein Karriere-Speed-Dating sowie eine Karriere-Messe, zu schätzen: „Laborbereiche sind extrem Hinweis, er sei „sehr zufrieden hier“, em-
für die sich noch Unternehmen und Institute anmelden können. Was wird dann mit Ihrem Ehrenamt in der Lise-Meitner- interessant.“ pfohlen hatte, fand die Werkstudentin
Gesellschaft?
Sind Physikerinnen Exoten? ANZEIGE
Ich habe nicht vor zu pausieren. Ich übernehme dann klar defi-
Fakt ist, dass es bedeutend weniger Frauen als Männer in der
nierte Aufgaben, bei denen ich zeitlich flexibel agieren kann. Und
Physik gibt. Der Anteil der Physikstudentinnen, die im Jahr 2009 an
das Baby kommt mit zur Konferenz.
der Humboldt-Universität zu Berlin begonnen haben, lag bei etwa
zehn Prozent. Beim Bachelorabschluss allerdings lag das Verhält- Was wollen Sie nach der Promotion machen?
nis bei etwa 20 Prozent. Das Frauennachwuchsproblem z. B. in der Ich bin in der Selbstfindungsphase. Eine professorale Karriere stre- Technische Gebäudeausrüstung Gesamtplanung HLSKE mit DDS-CAD
Physik muss also viel früher angegangen werden. Besonders in der be ich nicht an, der Industrie gegenüber bin ich offen. Forschung BIM [Building Information Modeling] Gebäudeautomation Elektroanlagen engineering
Biologie sehen die Zahlen allerdings ganz anders aus. Die Leaky- mit Anwendungsbezug interessiert mich. Überlegungen, in Rich-
Pipeline, der sinkende Frauenanteil, ist dort sehr deutlich. tung Management oder Coaching zu gehen, gibt es auch. www.rusz.de info@rusz.de 12489 Berlin Am Studio 20 A +49 30 44 37 70 30
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