Was Körper und Geist brauchen, um lange jung und fit zu bleiben
Essay von Jörg Blech, Biologe und SPIEGEL-Autor
Das ultimative Anti-Aging-Mittel wäre, den gesunden Körper eines jungen Menschen zu übernehmen. Das ginge beispielsweise mit einer Kopftransplantation, die dem alten Geist einen frischen Leib bescheren würde. Das gruselige Verfahren wurde ernsthaft erforscht, aber es wird vermutlich niemals gelingen und wäre ethisch nicht akzeptabel. Kein Mensch wird seinen Körper also eintauschen können, es gilt, mit dem Modell auszukommen, das Mutter und Vater für einen gezeugt haben. Es ist ein Unikat, das es in dieser Ausführung nur einmal auf der Welt gibt – nur altert es leider.
Allerdings können wir sehr stark beeinflussen, wie schnell oder langsam die Alterung abläuft. Prävention ist nämlich keineswegs kompliziert, sondern erstaunlich simpel.
Aus Sicht von Evolutionsmediziner:innen sind die meisten Erkrankungen darauf zurückzuführen, dass wir mit dem Körper auf eine Art und Weise umgehen, für die er von Natur aus nicht gemacht ist. Dieser falsche „Gebrauch” führt zu vielen unterschiedlichen Erkrankungen, die miteinander zusammenhängen.
Das bedeutet umgekehrt: Wir können den Körper mit wenigen Umstellungen wieder in Einklang mit seinen evolutionären Bedürfnissen bringen – und so ganz leicht eine Vielzahl von Erkrankungen vermeiden.
Eine beeindruckende Studie dazu erschien vor einiger Zeit im „American Journal of Clinical Nutrition“. Darin untersuchten Forschende anhand der Gesundheitsdaten von mehr als 250.000 Männern und fast 20.000 Frauen, wie sich acht Verhaltensweisen auf die Gesundheit auswirken. Es ging um regelmäßige körperliche Bewegung, maßvolle und ausgewogene Ernährung, Verzicht auf Zigaretten, Vermeiden von Trinkgelagen mit Alkohol, das Nicht-Abhängigsein von Opioiden, guten Umgang mit Stress, erholsamen Schlaf und positive soziale Beziehungen.
Im Vergleich zu Menschen, die keine dieser gesundheitsfördernden Gewohnheiten pflegen, können 40-jährige Männer, die alle acht Verhaltensweisen annehmen, ihre Lebenserwartung im Durchschnitt um 24 Jahre steigern. Bei Frauen sind es 20,5 Jahre.
Es lohnt sich der Studie zufolge auch später noch, auf das Gesundheitsprogramm umzuschwenken. Bei 50-jährigen Männern verlängert sich das Leben dann noch um 21,3 Jahre, bei 50-jährigen Frauen um 18,9. Und selbst mit 60, 70, 80 oder gar 90 Jahren zahlt sich ein Neuanfang aus – wenn auch die Effekte immer kleiner werden.
Selbst wer fortan nur eine einzige neue Gewohnheit annimmt, lebt nachweislich etwas länger. Am meisten erreicht, wer das Rauchen aufgibt. Körperliche Bewegung (idealerweise 150 Minuten pro Woche) und jeden Tag 30 Gramm Ballaststoffe (die Leibspeise unserer nützlichen Darmbakterien) verringern das Sterberisiko ebenfalls merklich. Erwachsene sollten jede Nacht ungefähr sieben bis acht Stunden schlafen, sie werden sich dadurch auch seelisch viel erholter fühlen.
Die Zutaten für ein langes Leben sind wissenschaftlich gründlich erforscht und schon länger bekannt – dennoch hapert es mitunter mit der Umsetzung im eigenen Leben.
Hier kommt unsere Psychologie ins Spiel. Eine Lebensstiländerung gelingt gemeinsam mit anderen Menschen viel leichter als im Alleingang. Auch auf dem Campus Adlershof bieten sich dazu mannigfaltige Möglichkeiten, vom Badminton über den Lauftreff bis zum Yoga. Überall im eigenen Umfeld gibt es Angebote, die helfen, sich jung und fit zu halten. Das Training in der Gruppe macht Spaß und führt zu neuen Freundschaften. Wir sollten uns mit lebensbejahenden Menschen umgeben, weil Optimismus ansteckend ist.
Jörg Blech ist Biologe und Autor beim SPIEGEL in Berlin und hat den Beststeller „Masterplan Gesundheit“ (DVA) geschrieben.