Der Solarberater
Niklas Albinius vermittelt Wissen über Bauen mit Photovoltaik
Hätte er damals nicht gefragt, wer weiß, wie sein bisheriger Berufsweg verlaufen wäre. Es war nach einer Vorlesung über „Solares Bauen“ an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW), wo Niklas Albinius seit 2016 das Fach Regenerative Energien studierte. Seine Neugier war geweckt. Er sprach die Dozentin an und erkundigte sich nach Möglichkeiten eines Praktikums. Warum nicht, war die Antwort, kürzlich erst habe das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) im benachbarten Adlershof eine Beratungsstelle ins Leben gerufen, vielleicht sei das ja etwas für ihn: „Das Thema hat mich seitdem nicht mehr losgelassen.“
Mittlerweile hat der heute 27-Jährige ein knappes Fünftel seines bisherigen Lebens bei der Beratungsstelle für bauwerkintegrierte Photovoltaik verbracht, zunächst zwei Jahre als studentische Hilfskraft, seit 2022 als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Welche Möglichkeiten gibt es, welchen Nutzen bringt es, Solarmodule in neue oder bestehende Architektur einzubauen? Das ist die Frage, zu der das fünfköpfige Team am HZB Auskunft erteilt. „Kostenfrei und produktneutral“, betont Albinius. „Auf Forschung gestützt und unabhängig.“ Mit diesem Profil sei die Beratungsstelle „in Deutschland, ich würde sogar behaupten, in Europa, einmalig“.
In seiner Wohnung unweit des Adlershofer Marktplatzes hat Albinius einen Südbalkon, allerdings keines der sogenannten Balkonkraftwerke. Davor steht nämlich ein Baum, in dessen Schatten Solarstrom kaum produziert wird. Nicht jeder Standort ist geeignet. Ihren Kunden, wie Architekt:innen, Bauträgern, Privatleuten, bietet die Beratungsstelle computergestützte Ertragssimulationen an, die ihnen für ihr Projekt verraten, ob die zu erwartende Energieausbeute die Installation einer neuen Solaranlage überhaupt lohnt.
Ohnehin entspricht ein schlicht auf dem Balkon aufgehängtes Modul nicht dem, was mit „bauwerkintegrierter“ Photovoltaik gemeint ist. Dabei handele es sich um Teile, „die anderes Baumaterial ersetzen“, Dächer, Fassaden, Brüstungselemente oder auch Sonnenschutz: „Jede Fläche an einer Gebäudehülle kann solar aktiviert werden.“ Ein dachintegriertes Solarmodul etwa werde nicht auf einem Ziegeldach installiert, es ersetze die Ziegel und erfülle somit mehrere Aufgaben: „Nachhaltig Strom produzieren, vor Wetter schützen und im besten Fall noch hübsch aussehen“, erklärt Albinius.
Sein Spezialgebiet ist die Nachrüstung denkmalgeschützter Altbauten, die er „besonders herausfordernd“ findet. Denkmalbehörden sind unerbittlich: Am historischen Erscheinungsbild darf sich nichts ändern. Die Kunst besteht also darin, die Solartechnik so zu verstecken, dass sie möglichst nicht auffällt. So erhielt 2024 ein historisches Abteigebäude in Würzburg ein neues Dach aus herkömmlichen Terrakottaziegeln sowie in Ziegelform gestalteten Solarmodulen, die farblich nicht voneinander zu unterscheiden sind.
Unweit des Ernst-Ruska-Ufers steht seit 2021 ein zweigeschossiges Laborgebäude des Helmholtz-Zentrums, dessen Fassade auf drei Seiten, rund 380 Quadratmetern, mit blauen Solarmodulen verkleidet wurde. Ausgestattet mit einer Fülle von Sensor- und Messtechnik dient es als „Reallabor“, um zu erforschen, wie sich vertikal installierte Photovoltaik bei wechselnder Witterung und Sonneneinstrahlung im Vergleich zu einer Dachanlage verhält. Mit daraus gewonnenen Daten hat Albinius 2022 seine Masterarbeit angefertigt, in der es um die Kühlung von Solarfassaden durch die natürliche Hinterlüftung der Solarmodule ging.
Das Reallabor sei mittlerweile ein „recht großer Magnet“, der Besuchsgruppen auch von weither anzieht, aus Dänemark, aus den USA, eigentlich aus der ganzen Welt: Ein Gebäude als Stromerzeuger – „wie sieht das in der Realität aus“? Die Beratungsstelle bietet kostenfreie Führungen an. Die Technologie, meint Albinius, sei ja nicht neu, nur eben „einfach noch nicht bekannt“. Dass sich das ändert, daran arbeitet er Tag für Tag.
Dr. Winfried Dolderer für Adlershof Journal