Fortschritte in der zeitaufgelösten Röntgenforschung
Durch neuartige Methode bekommen Forschende Einblick in ultraschnelle Prozesse und Dynamiken von Materialien

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des IKZ-Wissenschaftlers Dr. Peter Gaal hat einen neuartigen Ansatz für zeitaufgelöste Röntgenbeugung demonstriert. Der Ansatz nutzt eine zeitliche Folge von Röntgenpulsen, die einer sogenannten Hadamard-Matrix entsprechen. Das zeitliche Multiplexing der Röntgenpulse erfolgt durch den „WaveGate Pulse Picker“. Damit können Wissenschaftler Einblick in ultraschnelle, strukturelle Dynamiken von Materialien gewinnen und Prozesse, die sich im Mikrosekunden- und Nanosekundenbereich abspielen, beobachten.
Im Zentrum der Methode steht die Hadamard-Transformation – ein mathematisches Verfahren, das traditionell in der Spektroskopie und Bildgebung verwendet wird. Die Wissenschaftler übertrugen diese Methode in den Zeitbereich, um Röntgenpulse in vorgegebene Sequenzen zu kodieren. Diese Sequenzen erlauben die Rekonstruktion der zeitabhängigen Reaktion einer Probe mit hoher zeitlicher Auflösung und verbessertem Signal-Rausch-Verhältnis, selbst bei Verwendung von nur wenigen Photonen.
Für die anspruchsvollen Pulskodierung setzte das Team den WaveGate Pulse Picker ein. Diese Aktive Optik nutzt eine kontrollierte Verformung piezoelektrischer Kristalle, um Röntgenpulse mit Nanosekunden-Präzision zu beugen. Durch die Synchronisierung des WaveGate mit der Röntgenquelle und die Verwendung externer Trigger können Forscher variable Pulssequenzen erzeugen, die Hadamard-Matrizen folgen – mathematische Konstrukte, die eine effiziente und präzise Datenerfassung gewährleisten.
Die Vorteile dieses Ansatzes wurden in zwei Testmessungen am PETRA III Synchrotron in Hamburg demonstriert. In einer Messung verfolgte das Team die Bewegung einer Translationsbühne mittels Debye-Scherrer-Beugung und rekonstruierte erfolgreich deren Position entlang der Zeit ohne Bewegungsunschärfe. In einer weiteren Messung beobachteten sie die mikromechanische Schwingung einer dünnen Siliziumnitrid-Membran, die durch Nanosekunden-lange Laserpulse angeregt wurde. Durch die Hadamard-Methode können selbst subtile strukturelle Veränderungen erkannt werden, die mit konventionellen Techniken schwer zu erfassen sind.
Der WaveGate Pulse Picker, der die Erzeugung Hadamard-kodierter Röntgenpulssequenzen ermöglicht, wurde von dem IKZ-DESY-Start-up TXproducts entwickelt. Gemeinsam mit dem IKZ und DESY, einem Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft, betreibt TXproducts eine Test- und Demonstrationsanlage zur Entwicklung neuartiger Komponenten für die Röntgenphotonik. Diese Anlage wird von IKZ-Forschern für zeitaufgelöste materialwissenschaftliche Studien genutzt.
Kontakt:
Leibniz-Institut für Kristallzüchtung (IKZ)
Kristalline Materialien für Photonik
Dr. Peter Gaal
Gruppe Röntgenoptik
+49 30 246499-614
peter.gaal(at)ikz-berlin.de
Pressemitteilung IKZ vom 07.07.2025