Dioden für Fusionskraftwerke
Das Ferdinand-Braun-Institut treibt die Entwicklung einer Schlüsselkomponente voran

Im Programm „Fusion 2040 – Forschung auf dem Weg zum Fusionskraftwerk“ investiert die Bundesregierung in den nächsten fünf Jahren rund 1,2 Milliarden Euro in die Entwicklung der klimaneutralen, intrinsisch sicheren und fast unbegrenzt verfügbaren Energiequelle. Die ersten 16 Förderprojekte haben die Arbeit aufgenommen. Das Ferdinand-Braun-Institut ist dabei und treibt die Entwicklung einer Schlüsselkomponente voran.
Um seine Forschung zu erklären, muss Paul Crump ausholen: „Es gibt verschiedene Ansätze, um die Fusion als Energiequelle auf der Erde nutzbar zu machen“, erklärt der Leiter des High-Power Diode Lasers Lab am Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) in Adlershof. Neben der lange erforschten Magnetfusion komme auch die per Laser gezündete Trägheitsfusion mit riesigen Schritten voran. Das liegt an einem historischen Durchbruch am 5. Dezember 2022: Forschenden des Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien gelang es erstmals – und seither wiederholt – in ihrer National Ignition Facility (NIF) Fusionsplasma per Laser zu zünden. Jüngst setzte eine Fusion dort das Vierfache der zugeführten Laserenergie frei.
Im Kern geht es um die Fusion der Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium. Verschmelzen sie, dann bildet sich Helium. Es wiegt weniger als die beiden Kerne; die Differenz wird in Form extrem energiereicher Neutronen freigesetzt. Ein Kilogramm Fusionsbrennstoff enthält so viel Energie wie 55.000 Barrel Heizöl oder 18.600 Tonnen Kohle, was einem fünf Kilometer langen Güterzug entspricht. Nicht nur logistisch wären Fusionskraftwerke interessant. Wie erneuerbare Energien könnten sie die Energieversorgung vom Kohlenstoffkreislauf entkoppeln; der nötige Wasserstoff ist fast unbegrenzt verfügbar. Zwar entstehen bei der Fusion schwach radioaktive Materialien, doch die wären nach wenigen Jahrzehnten Abklingzeit recyclebar. Hinzu kommt ein Sicherheitsvorteil, der die Fusion allerdings auch kompliziert macht – und hier setzt Crump auf die Leistung, Effizienz, Strahlgüte und Zuverlässigkeit von Hochleistungs-Diodenlasern zielende Forschung.
Atomkerne stoßen einander ab. Die ursächliche Coulomb-Barriere (Potenzial, gegen das ein positiv geladenes Teilchen anlaufen muss, um in den Atomkern zu gelangen) können sie nur mit sehr viel kinetischer Energie überwinden. Dafür erhitzen nanosekundenkurze energiereiche Laserpulse das Plasma auf rund 150 Millionen Grad. Das beschleunigt die Atomkerne darin extrem, so dass sie sich bei Kollisionen auf unter 2,5 Femtometer annähern. Ab dieser Distanz – in etwa das 20 Millionstel eines menschlichen Haares – wirkt die Kernkraft. Sie ist viel stärker als die Coulomb-Kraft und lässt die Kerne fusionieren. In der Sonne läuft das seit 4,6 Milliarden Jahren schon bei „kühlen“ 15 Millionen Grad Celsius, da dort enormer Druck herrscht. Auf der Erde stoppt die Fusion dagegen sofort, sobald Druck und Temperatur sinken oder die Brennstoffzufuhr stoppt. Die Coulomb-Barriere garantiert diese Sicherheit, erfordert aber sehr aufwendige Technik. Eine Schlüsselkomponente: Hochleistungsdiodenlaser.
„Die Versuchsanlage in Kalifornien hat den Nachweis erbracht, dass die zugrundeliegende Physik funktioniert. Aber sie ist sehr weit von einem kontinuierlichen Kraftwerksbetrieb entfernt und war nie für die Energieerzeugung ausgelegt“, erklärt Crump, der lange selbst in den USA und in Großbritannien geforscht und gearbeitet hat. Für ein Fusionskraftwerk brauche es neue Ansätze. Um diese zu entwickeln, ein Innovationsökosystem aufzubauen und so die Basis für künftige Lieferketten zu schaffen, investiert Deutschland im Förderprogramm „Fusion 2040“ 1,2 Milliarden Euro. In einem der bisher 16 gestarteten Förderprojekte arbeitet das FBH zusammen mit ams-OSRAM, Jenoptik, Laserline, TRUMPF (als Koordinator) und dem Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT in Aachen an Diodenlasern, die für die Plasmazündung solcher Kraftwerke unverzichtbar sind. Nur sie ermöglichen die nötige Effizienz und Frequenz der hochenergetischen Laserpulse. Anders als die Versuchsanlage, die maximal eine Zündung täglich schafft, muss ein Kraftwerk bis zu 20 Brennstoffkügelchen pro Sekunde zünden. Jeder Zündpuls muss einige Nanosekunden lang drei bis vier Megajoule Energie auf das Kügelchen fokussieren. Um derart energiereiche Pulse zu erzeugen, müssen 300 bis 400 parallel geführte Laserstrahlen das nötige Energielevel erreichen. Sie werden gepumpt, indem sie von dem Licht der Diodenlaser angeregte dotierte Kristallplatten durchlaufen. Die optische Intensität und damit die Photonendichte nimmt dabei lawinenartig zu. Die gepumpten Strahlen werden anschließend zusammengeführt, auf die richtige Wellenlänge im Röntgenbereich konvertiert und als einzelne, hochfokussierte Megajoule-Zündpulse auf die in die Fusionskammer injizierten Brennstoffkügelchen gelenkt.
In Kalifornien erfolgt dieses Pumpen mit Blitzlampen, die von riesigen Stromspeichern gespeist werden und nach jedem Schuss stundenlang abkühlen müssen. Diese gilt es in Kraftwerken der Zukunft durch Diodenlaser zu ersetzen, die nötige optische Energie für das System bereitstellen. Da trifft es sich gut, dass Crumps Team am FBH gemeinsam mit vielen weiteren Forschenden daran arbeitet, die Leistung, Qualität und Zuverlässigkeit der vergleichsweise „kalt“ arbeitenden Halbleiterlaser systematisch zu erhöhen. Dabei haben die Forschenden im Blick, dass ihre Ideen künftig in einer vollautomatisierten Massenfertigung umsetzbar sein müssen. Sie müssen an allen Stellschrauben drehen: von der Leistung der einzelnen Diodenlaser-Barren über die smarte Integration in gekühlte Diodenstapel, die es auf engstem Raum in hocheffiziente Pump-Module mit optimierten elektronischen und optischen Schnittstellen einzubinden gilt. Es ist ein hochambitioniertes Projekt und ganz in Crumps Sinn: „Fusion ist die denkbar spannendste High-Power-Anwendung. Als Team sind wir sind hellauf begeistert, mitwirken und unser Know-how rund um Diodenlaser einbringen zu können“, sagt er.
Zumal die Chancen enorm sind. Die Fertigung der Dioden für ein einziges Kraftwerk würde alle heute weltweit verfügbaren Fertigungskapazitäten auf Jahre auslasten. Auch wenn es gelingen sollte, die Dioden-Kosten auf unter einen Cent pro Watt zu senken, würde sich ein neuer Multi-Milliardenmarkt für die Photonik auftun. Dafür muss es gelingen, die Leistung, Effizienz und die Lebensdauer der Halbleiterlaser massiv zu steigern. „Das ist eine sehr große, extrem spannende Herausforderung, für die das FBH das passende Know-how aufgebaut hat“, erklärt er. Aktuelle Diodenlaser erreichen Ausgangsleistungen von 400 bis 500 Watt je 1-cm-Laserbarren. In seinem Lab treiben sie die Forschung an effizienzoptimierten Kilowatt-Laserbarren voran. Ein wichtiger Ansatz, um die Kosten pro Watt auf das nötige Niveau für Fusionsanlagen zu senken. Doch sein Team setzt im DioHELIOS-Projekt schon zum nächsten großen Sprung an: „Wir nehmen Multi-Kilowatt-Barren in den Fokus“, sagt er. Dafür könne auf technologische Ansätze aus der LiDAR- und VCSEL-Entwicklung aufgebaut werden, wo ebenfalls hohe Energiedichten gefragt sind, diese aber bei sehr viel kürzeren Laserpulsen.
Die Forschenden können mithilfe der so genannten Tunnel-Junction-Technologie sowie smarten Lösungen für den Chip-Aufbau, die Wärmeabfuhr sowie für die Führung und Stabilisierung der emittierten Lichtwellenlängen unter anderem mit optischen Gittern immer mehr Laserdioden in die Chips integrieren. Durch die Kombination solcher Ansätze hat das LiDAR-Team am FBH jüngst erste Einzelemitter mit mehr als 400 Watt optischer Ausgangsleistung in Nanosekundenpulsen realisiert – eine Leistung, für die bisher gut 20-mal größere Barren erforderlich waren. „Gelingt es uns, sie mit ausreichend hoher Effizienz zu realisieren, wäre diese Lösung für die Fusion sehr interessant. Denn durch Kombination dieser Emitter auf der Barren-Ebene würden Leistungen von bis zu 15 kW pro Barren – und damit transformative Kostensenkungen machbar“, erläutert der Forscher. Doch bis dahin gibt es jede Menge Detailarbeit zu erledigen. Diese Aussage gilt für die gesamte Fusionsforschung. Um diese vielversprechende Energiequelle nutzbar zu machen, sind noch viele technologische Hürden zu überwinden. Doch der Kurs steht fest. Die Leinen sind los. „Wir sind mit Enthusiasmus dabei“, sagt Crump mit ansteckendem Optimismus.
Peter Trechow für Adlershof Journal